Kultur: Objekt Frau
Die grellbunt-provokante „Traumation“ von Harald K. Schulze in der Galerie am Neuen Palais
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Die grellbunt-provokante „Traumation“ von Harald K. Schulze in der Galerie am Neuen Palais Von Heidi Jäger Knackige Pos, die freizügig zur Schau gestellte weibliche Scham, in Mieder geschnürte Wespentaillen – die Damen der Gesellschaft zeigen ungeniert ihre körperlichen Reize. Und doch ist da untrügerisch eine andere Facette, die dieses scheinbare Selbstbewusstsein ins Absurde führt. Maskierte Gesichter, eingezogene Schultern, ja auch ein „Stinkefinger“ zeigen, dass diese Frauen nicht glücklich sind in ihrer „Fleischschau“ und der sie umzingelnden lüsternen Gier der Männer in wilder Machomanier. Harald K. Schulze liebt die deutliche Sprache. Seine Malerei ist nichts für prüde Gemüter. Sie scheidet die Geister und entfacht Diskussionen. Was will man mehr? – meint nicht nur der Maler aus dem Oderbruch, sondern auch Galerist Jürgen Oswald, der die „Traumation“ von Harald K. Schulze sehr gern an seinen Wänden in der Galerie am Neuen Palais präsentiert. Zumal es unter der äußeren knallbunten Folie mehr als nur um Exhibition geht. Schulze, der an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studierte und Walter Womacka intensiv über die Schulter schaute, versteht sein Handwerk. Mit großer Liebe zum Detail baut er seine dramatisch zugespitzten Geschichten – anziehend und abstoßend zugleich. Der Letschiner Künstler, der sich bewusst in die Tradition eines Dix, Grosz oder Beckmann stellt, piekt kraftvoll in die Verderbtheit der Gesellschaft, die Frauen zum Spielball und Objekt der Begierde werden und die Männer verrohen und zu Gefangene ihrer selbst werden lässt. In seinen gemalten Geschlechterbeziehungen agieren Männer wie Dompteure – oder sie liegen hilflos am Boden. „Meine Sympathie gehört den Schwächeren“, bekennt Schulze schlicht: Waren es früher die Punker, die er auf die Leinwand bannte, sind es heute vor allem Frauen – „die mit Doppelbelastung, Werbung, Schönheitswahn, Käuflichkeit konfrontiert sind“. Die im Rotlicht-Milieu angesiedelten Szenen – die den Vorhang zur Unterwelt öffnen und derbe Verrohung in ihrer ganzen Geschmacklosigkeit eskalieren lassen, sind kaum auszuhalten. Auf seinem Tryptichon „Full Moon“ wird eine Frau beim Akt geradezu auf die Schlachtbank geführt. Teilnahmslos lässt sie mit zurückgeworfenem Kopf die Dinge mit sich geschehen – das groteske Leben geht indes unberührt weiter. Das Bild „Miss Dezember und Miss November“ gehört wohl zu den an der Geschmacksgrenze am dichtesten entlang schrammenden Werken. Zwei Frauen, fast zur Karikatur verzerrt, zeigen sich in ihrer körperlich welkenden Gegensätzlichkeit – dabei im gleichen Boot „sitzend“. Die eine abgemergelt mit hängendem Busen und Falten durchzogenem Gesicht steht in ihren Lackstiefeln bis über die Knie fremd und in sich gekehrt. Die andere Prostituierte ist fettleibig und ihre Haut mit blauen Adern unschön durchzogen. Wiederum sind es die Lackstiefel, die auf ihr Gewerbe deuten. Der Maler selbst wollte damit den Jugendwahn attackieren – ob ihm der Balanceakt gelang, dies würdevoll zu zeigen, wird jeder Betrachter für sich entscheiden. Auf jeden Fall suggeriert es die Frage, in welche Rollen Menschen gedrängt werden und was sie mit sich machen lassen. Prostitution gibt es in vielen Facetten. Nach den zum Teil überbordenden Szenen – die die Großstadt ins Bühnenlicht taucht und „Nachtgestalten“ schillernd-traurig zu „Haupthelden“ macht, tut es gut, sich in die Porträts zurück zuziehen. Schmal, fast zerbrechlich, posiert „Manu mit Maske“ in graziler Anmut. Der feine Silberschmuck wirkt edel auf der unbekleideten orange-braunen Haut. Ihr Gesicht verbirgt sie indes unter einer Maske – traurig-melancholisch. Doch ihre überlangen schmalen Finger mit Nägeln scharf wie bei einer Katze sind zur Abwehr bereit. Ausgenommen einer langbeinig-stolzen Schönheit mit offenem Mantel, der einen Blick auf ihren nackten Körper frei gibt, tragen die Frauen sichtbar ihr Päckchen. Die Gesichter sind zugeschminkt, verquollen oder nach innen gekehrt, der Körper angespannt, steif wie bei Marionetten. Nach all’ den metapherreichen Bildern im Seelen-Dickicht einer kranken Gesellschaft, ist ein Eintauchen in die gezeigten Landschaften Schulzes eine willkommene Abwechslung. Doch für ihn ist Italien, wo er seinen zweiten Wohnsitz hat, nicht nur das Land, wo die Zitronen blühen: Auch hier gibt es nichts mit Zuckerguss. Nur mit leisem Unbehagen lässt es sich durch seine Hügellandschaften spazieren. Der Himmel zeigt bedrohlich, wie es um die Umwelt bestellt ist. Versöhnliches Pastell oder operettenhafte Harmonien sind Schulzes Ding nicht: Solange die Welt ist, wie sie eben ist. Harald K.Schulze, Traumation, Ausstellung bis 19. Juni in der Galerie Am Neuen Palais, Mi -Fr 14-18 Uhr., Sa/So 13-18 Uhr
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