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Kultur: Ohne Extreme

Neue Musik mit dem Orchesterkonzert der Jungen Philharmonie Brandenburg beim „Intersonanzen“-Festival

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Der Weimarer Komponist Michael Obst meinte einmal, in der Neuen Musik werden nach Stockhausen rund 60 Prozent aller Noten falsch gespielt. Wie wichtig damit ein interpretatorisch hervorragendes Ensemble für die zeitgenössische Aufführungspraxis wird, scheint demnach offensichtlich. Für die Neue Musik, ihre Werke und Komponisten ist die Interpretation zur wichtigsten Grundlage ihrer eigenen Tragfähigkeit geworden.

Der normale Konzertbesucher gelangt in der Wahrnehmbarkeit von Neuer Musik manchmal an seine Grenze. Es geht ihm zumeist dabei um die Ausstrahlung eines Stückes, um den Klang, hin und wieder auch um das Herausfinden von Regel und Regellosigkeit in der Komposition. Neue Musik ist eine Herausforderung an den Hörer, kann aber auch erfrischend und anregend sein. Wer neue Kompositionen spielt, der muss auf seinem Instrument natürlich technisch und musikalisch versiert sein. Die Junge Philharmonie Brandenburg, ein Projektorchester von jungen Musikern zwischen 14 und 30, machte am Samstagabend in einem Konzert im Treffpunkt Freizeit klar, dass sie nicht nur in der Klassik oder in der Romantik zu Hause ist, sondern auch auf dem Gebiet der neuen Musik ein deutliches Wort mitreden möchte. Dazu ist ein Dirigent vonnöten, der sich zeitgenössischer Musik eng verbunden fühlt und dafür unvoreingenommen ist. Manuel Nawri, Professor an der Berliner Hanns-Eisler-Musikhochschule, hat jedenfalls seine Kompetenz im Erschließen neuer Partituren schon an anderer Stelle bezeugt. Mit der Jungen Philharmonie Brandenburg erarbeitete er fünf Werke von Komponisten, die im Brandenburgischen und in Berlin leben und arbeiten. Das Brandenburgische Fest der Neuen Musik „Intersonanzen“ 2013, veranstaltet vom Brandenburgischen Verein Neue Musik, gab dafür den äußeren Rahmen.

Manuel Nawri konnte die jungen Philharmoniker für dieses orchestrale Abenteuer interessieren und wohl auch begeistern. Denn ihr Einsatz war engagiert und konzentriert. Nawri hatte Partituren und Musiker stets im festen Blick und konnte den neuen Werken emotionale Ausdruckskraft abgewinnen. Die Komponisten Susanne Stelzenbach, Henry Meck, Volker Freidel, John Rausek und Gisbert Näther machten es den Zuhörern relativ leicht. Die musikalischen Materialien wurden nicht ins Extreme ausdifferenziert, dynamische Kontraste nicht bis zur Unhörbarkeit getrieben. Und ohne exquisite Geräuschmusik kam man ebenfalls aus. In Henry Mecks „New Waves“ und Susanne Stelzenbachs „Auf blauem Grund“ gibt es an Abwechslung keinen Mangel.

Viele schöne stille Momente vernahm man, die von kraftvollen Passagen unterbrochen wurden, auch undurchsichtig Flirrendes kontrastierte mit griffigen Klängen. Man hatte den Eindruck, dass das Interesse beider Komponisten nicht unbedingt in neuen Effekten lag, sondern in der Zusammensetzung der unterschiedlichen Stimmen und Farben. Hatten beide Stücke kleine Längen, so wirkten Volker Freidels „Nightmare variations“, John Rauseks „Short Texas Road Movie“ und die Reflexionen, eine Hommage an Benjamin Britten, von Gisbert Näther insgesamt kurzweiliger und zeigten fassbarere Strukturen auf. Dramatisch-Aufwühlendes war in Freidels Stück zu hören, virtuos-leichtfüßige Instrumentalsoli bei Rausek. Und Näther hat über Themen aus Brittens „Sea Interludes“ reflektiert, rhythmisch betont, in mitreißender Weise die Ressourcen des Orchesters genutzt. Verdienter langer Beifall für Komponisten und Mitwirkende. Klaus Büstrin

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