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Kultur: Ort der politischen Verfolgung

Gabriele Schnells Buch über das „Lindenhotel“ wird in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 vorgestellt

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Gabriele Schnells Buch über das „Lindenhotel“ wird in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 vorgestellt Als man zu DDR-Zeiten von der Brandenburger Straße in die Otto-Nuschke-Straße (heute Lindenstraße) Richtung Hegelallee und umgekehrt gehen wollte, ging man instinktiv nicht am Haus Numero 54 vorbei. Man benutzte die andere Straßenseite. Nichts Gutes vermutete man hinter den Mauern. Später wusste man es. Ende der achtziger Jahre, als das Gefängnis der Staatssicherheit teilweise mit Häftlingen überfüllt war, hörte man Spärliches von den Haftbedingungen, den Verhören in diesem Haus. Nach 1989 kam dann das ganze Ausmaß eines verbrecherischen Sicherheitsdienstes ans Tageslicht. Die Potsdamer Publizistin Gabriele Schnell konnte die Kartei von knapp 7000 Häftlingen, die von 1952 bis 1989 im Gefängnis der Staatssicherheit– genannt Lindenhotel – gefangen gehalten wurden, studieren. Die Stasi konnte sie am Ende ihrer Tätigkeit nicht mehr vernichten. Die intensive Beschäftigung mit den Opferakten veranlasste Gabriele Schnell ein Buch über diesen Ort, der für „die Kontinuität politischer Verfolgung im 20. Jahrhundert“ steht, zu schreiben. „Das ,Lindenhotel““ - Berichte aus dem Potsdamer Geheimdienstgefängnis ist soeben im Ch. Links Verlag Berlin erschienen. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung und Hans-Hermann Hertle als Co-Autor ediert worden. Heute um 19 Uhr wird das Buch in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 vorgestellt. Es war für Gabriele Schnell schwierig, die Namen der Opfer zu indentifizieren, da sie in der Häftlingskartei anonymisiert wurden. Nach umfangreichen Recherchen konnte sie aber Zeitzeugen ausfindig machen. Zwei Frauen und sieben Männer erzählten der Autorin über ihre Schreckensjahre im „Lindenhotel“, darunter auch zwei Häftlinge, die kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in dieses Gefängnis gebracht wurden. Vom Sommer 1945 bis Mitte 1952 herrschte in ihm der sowjetische Geheimdienst. Ein Militärtribunal sprach hier über Menschen Urteile. Die meisten bekamen langjährige Haftstrafen, die sie in sowjetischen Lagern oder in deutschen Speziallagern verbüßen mussten. Danach gab 37 Jahre lang die DDR–Staatssicherheit Tausenden Bürgern unter Zwang „Herberge“. Ein Buchhalter, ein Lehrling, ein Student, eine Fotografin, ein Betriebsdirektor, eine Verkäuferin und andere erzählen über die schmerzvollen Erfahrungen, die sie in diesem Gefängnis machen mussten, über die Umstände ihrer Verhaftung, die Verhöre, über die Gerichtsprozesse, die Verbüßung der Strafen. Sie berichten aber auch über das Leben danach. Gabriele Schnell hat dies alles aufgeschrieben. Sie hat dabei die Authentizität der Berichte unbedingt gewahrt. Man liest die Texte mit großer Emotionalität, ist darüber erschrocken, dass sich so viel Leid in der Nachbarschaft täglich ereignete. Heute benutzt man nicht mehr die andere Straßenseite. Man kann freiwillig ins „Lindenhotel“ gehen, das ja längst eine Gedenkstätte ist. Doch immer noch steht man fassungslos in diesem unmenschlichen Areal, wird ganz still. Klaus Büstrin Gabriele Schnell, Das „Lindenhotel“, Ch. Links Verlag Berlin,

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