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FREITAGS: Paradiesisch

Was ist Luxus? Ein Dach über den Kopf, ein sicherer Arbeitsplatz oder Boni in Millionenhöhe?

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Was ist Luxus? Ein Dach über den Kopf, ein sicherer Arbeitsplatz oder Boni in Millionenhöhe? Die derzeitige Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung über vietnamesische Vertragsarbeiter in der DDR zeigt, wie weit das persönliche Gefühl auseinander klaffen kann. Was aus der Sicht der Deutschen unzumutbar schien, war für viele Asiaten das Paradies auf Erden. Fünf Quadratmeter Wohnfläche in einem Gemeinschaftszimmer standen ihnen damals zur Verfügung: Menschenunwürdig – meinen wir. Ganz zu schweigen von der ständigen Überwachung durch die Staatssicherheit und dem Eingriff in individuelle Rechte, der selbst die Möglichkeit einer Schwangerschaft beschnitt. Und dennoch diese offenbare Verklärung, wenn heute die Gastarbeiter von einst ihre Zeit in der DDR als die schönste in ihrem Leben beschreiben.

Ja, sie hatten Arbeit, wenn auch nicht die von ihnen auserwählte. Aber sie konnten zum Familieneinkommen beitragen, mussten nicht nutzlos herumsitzen und um Almosen vom Staat bitten. „Ihr seit versaut durch den Westen“, wurde den Rückkehrern von den eigenen Landsleuten oft vorgeworfen. Dabei war der Westen so weit weg, fühlte sich die mausgraue DDR ausgesprochen ostig an. Für uns. Doch einmal in ein besseres Leben hinein geschnuppert, kann die Rückkehr in das alte nur ein Abstieg sein. Es sei denn, es wartet anderer Luxus als Geld, die Villa, die Yacht, die Macht. Das kleine Zipfelchen Glück kann auch die Familie, die Arbeit, das Gebrauchtwerden sein. Das „Paradies“ lässt sich nicht bemessen.

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