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Kultur: Poesie auf dem Online-Marktplatz
Die Zeit läuft: Stephan Dierichs sucht noch Unterstützer für sein Hörspiel-Projekt „Töne aller Arten“
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Es bleiben noch vier Tage. Bis Samstag entscheidet sich, ob das Hörspielbuch „Töne aller Arten“ ausreichend Unterstützer findet. Stephan Dierichs begab sich mit seinem ambitionierten Projekt erstmals auf den Internet-Markplatz „Startnext“. Seit nunmehr 96 Tagen wirbt er auf dieser Plattform um finanzielle Unterstützung für die Einspielung eines Buches, das ihn mit seiner Poesie zutiefst gepackt hat. Es erzählt die Geschichte des seltsamen Herrn Schlontzki, der Töne aller Art verkauft und damit eine Stadt völlig verändert. Töne, die eine taubstumme Bibliothekarin plötzlich eine Beethoven-Sonate hören lässt, eine eingeschlafene Liebe neu erweckt oder ein Kaufhaus ins Chaos stürzt. Der 2001 geschriebene Roman von Peter Trabert, der kaum beachtet im List-Verlag nur eine Auflage erlebte, gehört für den literaturbesessenen Schauspieler, Autor und Produzenten einfach an die Öffentlichkeit. Stephan Dierichs strich die rund 300 Seiten auf etwa die Hälfte zusammen und möchte nun dieses an „Amelie“ und „Chocolat“ erinnernde Werk auf vier CD mit Pauken und Trompeten, zarten Streichertönen und seiner eigenen Stimme erlebbar werden lassen. Um die Finanzierung zu sichern, ging der 52-jährige geborene Weimarer erstmals den Online-Weg. Zuvor musste er sich festlegen, wie viel Geld er in wie viel Tagen durch Fans mobilisieren will. Nach dem letzten aufgeregten Blick aufs Konto fehlen ihm derzeit noch 500 Euro, um auf die veranschlagten 3300 Euro zu kommen. Fehlt auch nur ein Euro, muss er das Geld an die bislang 28 Unterstützer zurückzahlen – so die auf Kulturprojekte ausgerichtete Startnext-Vereinbarung.
Doch Stephan Dierichs wird sein Projekt auch weiter verfolgen, sollten die 100 Tage erfolglos verstreichen. Er wird andere Quellen finden, zuvorderst wohl in seinem eigenen, vor zehn Jahren gegründeten „Tongeschichten“-Studio, das seit gut einem Jahr auf dem Gelände von Studio Babelsberg zu finden ist. Dort bietet er Synchron- und Werbefilmleistungen an, um Geld für seine „Luxusprojekte“ zu verdienen. Denn mit seinem Spielbein hüpft er auf der Wiese des Genusses, die ihm die Sprache in all’ ihren Facetten bietet.
Schon als kleiner Junge begleitete er seinen schauspielernden Großvater, Otto Dierichs, ins Synchronstudio und bekam ganz rote Ohren vom angespannten Zuhören. Der so früh elektrisierte Enkel wurde nach der Lehre als Beleuchter in nunmehr dritter Familiengeneration Schauspieler. Inzwischen ist er kaum noch auf der Bühne, obwohl er nach dem Studium an der Berliner Ernst-Busch-Hochschule, die sein Großvater mit begründete, in großen Rollen zu sehen war: als Peachum in der „Dreigroschenoper“ oder Tellheim in „Minna von Barnhelm“. Er spielte am Berliner Maxim Gorki Theater, am Volkstheater Rostock, an den Freien Kammerspielen Magdeburg . Dann kam die Wende und mit ihr brach das Publikum weg. „Ich wusste nicht mehr, für wen ich spiele“, so der politisch engagierte Mime.
Er zog mit Frau und den beiden Söhnen nach Italien, wurde Weinbauer und freute sich am Abend, wenn er den Weinberg runterschaute, an dem, was er geschafft hatte. 12000 Liter Wein im Jahr. Dennoch hörte er ständig Deutschlandradio und nach vier Jahren zog es ihn wieder in die Heimat zurück. „Dort hatten sich inzwischen alle Schauspieler ihre Felle gesichert. Ich kam zu spät. Das Goldene Fließ war zerschnitten.“ Stephan Dierichs suchte nach seinem eigenen Stück Fell, das zu ihm passte. Und das war auf keinen Fall das Regietheater, wo Schauspielermeinungen nicht gefragt sind und statt Inhalte die Selbstverliebtheit der Regisseure zählt. „Heute verbrennst du am Theater“, so seine unumstößliche Meinung.
Er wurde Autor, schrieb auf, was er in Italien erlebt hatte. Irgendwann las er daraus öffentlich und schenkte Wein dazu aus. Inzwischen bietet er 23 verschiedene Weinlesungen an: erotische, jüdische, kriminalistische ... Den Anfang machte er in der Weinhandlung „Alfred & Otto“ in Werder, die er mit aufbaute. Der Genussmensch Dierichs kennt diese Stadt bestens, und in seinem „Tongeschichten“–Studio entstand auch das Hörspiel „Obstmucker im Havelland“ über den Aufstieg des legendären Obstbauers Vater Felsch.
Seinen Werbetrailer für das Hörbuch „Töne aller Art“ wird er auch in Werder drehen: in einer der schmalen Gassen. Am Ende der Geschichte verlässt Schlontzki die Stadt . Keiner kann sich mehr Töne kaufen, sondern muss seine eigenen finden. „Verlust bewirkt, dass wir uns wieder entdecken“, weiß Stephan Dierichs aus eigener Erfahrung. „Italien war wunderschön, aber in Deutschland bin ich Zuhause.“ Seit drei Jahren nunmehr in Potsdam, bei seiner neuen Liebe. Heidi Jäger
www.startnext.de/toene-aller-arten
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