Kultur: Postmoderne light
Filmmuseum gratuliert Joel Coen zum Geburtstag
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Filmmuseum gratuliert Joel Coen zum Geburtstag Am Anfang steht der große Sprung in die fünfziger Jahre. Auch Joel Coens vierter Film „The Hudsucker Proxy“ von 1994 war, wie die meisten seiner Filme, eine Hommage an die große Zeit Hollywoods. Selbst wenn Handlung und Charaktere teilweise ins Groteske überzogen sind, ereilt den Betrachter ein „diffuses Gefühl der Bekanntheit“, wie es der Filmwissenschaftler Jörg Schweinitz im Filmmuseum anlässlich einer kleinen Filmreihe zu Joel Coens fünfzigstem Geburtstag, analysierte. Für Schweinitz, der dereinst gemeinsam mit der Direktorin des Filmmuseums, Bärbel Dalichow, in Potsdam die Schulbank drückte und heute Professor für Filmwissenschaft in Bochum ist, sind Coens Filme in einem Filmmuseum ob ihrer „doppelten Codierung“ genau am richtigen Ort. Einerseits könne man sie „einfach nur anschauen“ und sich ihres skurrilen Humors erfreuen, andererseits seien sie fast immer Filme über Filme, die als „Liebeserklärungen an das klassische Hollywood“ verstanden werden können. Dabei seien in den wenigsten Fällen konkrete Szenen, nicht einmal ganze Filme als Zitate zu erkennen, als viel mehr Milieus, Figuren und Stimmungen, ganze Netzwerke also. So werde in „Hudsucker“ etwa unter anderem auf Frank Capras und Howard Hawks“ Filme der 30er und 40er Jahre angespielt, jedoch - und darin sieht er den postmodernen Anspruch der Filme von Coen - ironisch gebrochen. Während die Originale den Zuschauer möglichst nahe an die Handlung bringen wollten, spielten Coens Filme mit ihrer Künstlichkeit. So sei das aufwändig gebaute Set von „Hudsucker“, so Schweinitz, stets als solches erkennbar, was auch visuell Distanz zwischen Zuschauer und Film schaffe, stets nach dem Motto: „Schaut her: Wir sind Kino!“. Umso bedauerlicher ist, dass der Film in Video-Projektion gezeigt wurde, was ihm viel von seiner ursprünglichen visuellen Kraft nahm. Vor genau 20 Jahren begann mit der düsteren Gaunerkomödie „Blood Simple“, den das Filmmuseum dankenswerter Weise wieder einmal auf die große Leinwand brachte, Coens beeindruckende Erfolgsgeschichte. Immer in Verbindung mit seinem Bruder Ethan und einem bald gefestigten Stab, gelangen ihm eine Reihe großartiger Filme, die in der sehr kurz ausgefallenen Filmreihe leider keinen Platz fanden: Von der perfekt inszenierten Hommage an das Mafia-Genre „Millers Crossing“ (1990) über „Barton Fink“ (1991), in dem ein Drehbuchautor an einer Schreibblockade leidet, bis hin zu „Fargo“ (1996), einer der schwärzesten Komödien der letzten Zeit, in der die Coens ihrer Heimat Minnesota ein zweifelhaftes Denkmal setzten. In diesen früheren Filmen gelang es Coen ebenso unauffällig wie elegant die filmische Postmoderne zu prägen. Ganz zu schweigen von der Kult-Komödie „The Big Lebowski“ (1998) mit Jeff Bridges als Müßiggänger, über die herrliche Odyssee-Adaption „O Brother, Where Art Thou“, zum atemberaubend brillant gefilmten Schwarz-Weiß-Streifen „The Man Who Wasn''t There“ (2001). Stattdessen werden die recht gewöhnliche Komödie „Ein (un)möglicher Härtefall“ (2003), die den Coens das Urteil einbrachte, nun endgültig in Hollywood angekommen zu sein, und die Neuauflage des Klassikers „Ladykillers“ kommende Woche im Filmmuseum zu sehen sein. Die spannende Frage, ob die Coens mit ihrem ersten wirklichen Remake ihren bisherigen Weg verlassen oder ihn nur konsequent weiter verfolgt haben, bleibt indes vorerst unbeantwortet. Ist ja auch irgendwie postmodern. Moritz Reininghaus
Moritz Reininghaus
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