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Kultur: Potsdam geht baden

„Sommer, Sonne, Havelstrand“ ab heute im Potsdam-Museum in der Benkertstraße

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Während auf der einen Seite hochfliegende kuppelüberdachte Bade-Träume den Bach runtergehen, werden anderenorts Badehütten anno 1830 handfest zusammengezimmert. Im Potsdam-Museum kann man ab heute mitten im Herzen der Stadt sein Gemüt kühlen. Denn nicht nur ein hölzernes Badehaus, wie es einst die Havelgewässer säumte, ist dort zu besichtigen. Es gibt auch ein Planschbecken davor, das für alle Badehungrigen geflutet wurde. In welcher Garderobe man dieses übersichtliche Nass besteigt, auch dafür gibt es in der Ausstellung „Sommer, Sonne, Havelstrand – Baden in Potsdam“ Anregungen zur Genüge. Vom beinlangen „Strampler“ bis zur Dreiecksbadehose reichen die Modelle, die in der luftig-leichten Schau hinter Kabinentüren zu erspähen sind. Gucken ist hier aber durchaus erlaubt: nicht nur heimlich durch ein Astloch. Die Ausstellungsmacher ließen sich in ihrem Kabinen-Nachbau vom einstigen Werner-Alfred-Bad inspirieren.

Überhaupt ist diese Ausstellung, wie es sich für ein regionales Museum gehört, sehr auf die Stadt zugeschnitten. Leihgaben Potsdamer Bürger, vom Badeanzug über die Fotografie bis zum „Seepferdchen“, lassen Erinnerungen an die eigenen ersten Schwimmzüge hochschwappen. Eine große Karte zeigt die einstigen Badestellen, von denen es über die Zeiten hinweg 30 zu verzeichnen gab. Dazu gehörte die Militärschwimmanstalt an der Heiliggeistkirche, an der versteckt hinter hohen Planen die Soldaten nackig ihre Körper ertüchtigten oder die allseits beliebte Badeanstalt am Luftschiffhafen, in der nicht nur die vereinten „Freien Schwimmer 1912“ ihre übersichtlichen Bahnen zogen.

Einer, der das Baden in Potsdam besonders beförderte, war der Pädagoge und heutige Ehrenbürger, Wilhelm von Türk. Er richtete an der Holzmarktstraße eine Städtische Flussbadeanstalt ein, die man auf einem Foto von 1938 noch einmal betrachten kann. Der Ausbruch der Cholera-Epidemie 1832 war Anlass, sich mit der Hygiene und damit auch mit dem Wasser intensiver zu beschäftigen. Warmbadeanstalten mit Wannen luden zum Reinigen ein, denn eigene Bäder hatten die Wenigsten. Mehr und mehr ging es dann ins Freie hinaus, auch wenn die Freizügigkeit noch sehr versteckt blieb.

Die beschriebene und gut illustrierte Geschichte der Bademode erweist sich als ein charmantes Auf und Ab bezüglich der Stoffmenge. In der römischen Antike zeigte man sich alles andere als prüde, man offerierte bereits die ersten Bikini-ähnlichen Modelle, wie zu lesen ist. Im finsteren Mittelalter wurde in Europa zumeist gänzlich auf Badekleidung verzichtet. Vom 16. bis 18. Jahrhundert wurden dann ganz andere Töne angeschlagen; die Sittenwächter hatten nunmehr das Sagen. Ab in die keuschen Hüllen und immer weniger in den See. Im frühen 19. Jahrhundert wurde zwar wieder öfter gebadet, aber nach wie vor unter strenger Wahrung der Sittlichkeit: die Herren in Unterwäsche, die Frauen mit knöchellangen Beinkleidern, gegürteter Bluse und Miederleibchen aus Flanell! Später kam dann der etwas entkrampftere Matrosen-Look dazu.

Auch über den Zwickelerlass 1932 gibt die Ausstellung Auskunft: Darin legte die Regierung fest, welche Teile des Körpers beim Baden zu verhüllen waren. Auf so viel Reglement konnte man doch nur pfeifen oder aber das „Badehöslein-Lied“ anstimmen. Frei nach „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ sang das Volk nun: „Sah ein Knab ein Höslein schön ... Zog es straff bis oben “nauf, seht, da platzt es hinten auf.“

Andere Lieder wussten in den 60ern die Herren von der Dreiecksbadehose zu singen. Die ließ sich zwar trefflich wechseln – nur ein Bändchen musste gelöst werden – aber man verlor sie auch allzu schnell beim gewagten Sprung vom Turm. Und so werden die Besucher dieses kleinen unterhaltsamen Sommer-Bade-Flirts einige eigene Geschichten beizutragen haben: Nicht zuletzt angeregt durch die nachgestellte Strand- und Angleridylle aus den 70ern: mit Taucherbrille, kunterbunter Kühltasche, blumigem Frotteebadetuch und einer Berliner Weißen.

Zu sehen bis 3. Oktober, Di bis So 10 bis 18 Uhr. Für Kinder gibt es ein Begleitprogramm: Vom Sprudeltauchen über Wasser-Geheimschrift bis zur Krebsstaffel und Gummistiefel-Parcour.

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