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Dröhnen der Macht. Beim 18. Kunstfestival Rohkunstbau im Vestibül des Schlosses Marquardt war ein Bugatti-Motor zu sehen - verbunden mit einer Licht- und Toninstallation. Nun muss die Kunst verstummen.

© Archiv/Andreas Klaer

Kultur: Potsdam-Sommer ohne Rohkunstbau

Land hat Finanzierung des Kunstprojekts Rohkunstbau gestrichen / Petition an Ministerin Kunst

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Das Projekt Rohkunstbau steht vor dem Aus. Das in den vergangenen fünf Sommern die Stadt Potsdam bereichernde internationale Aushängeschild zeitgenössischer Bildender Kunst erhält vom brandenburgischen Kulturministerium keine Förderung mehr. Bislang hatte das Ministerium das Projekt jährlich in Höhe von 60 000 Euro unterstützt. „Diese Gelder sind niemals als Ausstellungs-, sondern als Geschäftsstellenfinanzierung gedacht gewesen“, sagte Pressesprecher Heinz Georg Moek auf PNN-Nachfrage. „Die über zehn Jahre gewährte Zuwendung sollte Rohkunstbau in die Lage versetzen, Förderpartner und Drittmittel zu gewinnen und eine nachhaltige Förderstruktur aufzubauen. Das wurde leider nicht erreicht.“ Stattdessen seien große Sponsoren und Förderer abgesprungen, wie die Bundeskulturstiftung, die Europäische Union oder der Ostdeutsche Sparkassenverband. Wie Moek betonte, belief sich der ursprüngliche Rohkunstbau-Etat auf 300 000 Euro. „In diesem Jahr sind es nur noch 120 000 Euro. Der Antrag sah vor, dass das Ministerium faktisch der einzige Förderer ist, also eine extrem beschnittene Version. Das ist eine Sparvariante, von der man sagen muss, dass sie die einst durchaus beachtete Sichtbarkeit von Rohkunstbau über Landesgrenzen hinaus nicht mehr aufweisen würde.“ Auch die kulturtouristische Bedeutung habe sein Haus an dieser Stelle nicht mehr gesehen, so der Ministeriumssprecher.

Arvid Boellert, Vorsitzender des Vereins der Freunde von Rohkunstbau e.V., widerspricht der Aussage des Ministeriums und betont, dass sich der Etat noch nie auf 300 000 Euro belaufen hatte. „Die Absage des Kulturministeriums ist ein Schlag ins Gesicht des ehrenamtlichen Engagements im Land Brandenburg, ja in ganz Deutschland“, betonte er.

In einer Online-Petition an die Kulturministerin Sabine Kunst, die bereits von über 1000 Unterstützern unterzeichnet wurde, dringt die Heinrich-Böll-Stiftung als Träger des für dieses Jahr geplanten 19. Rohkunstbau–Projekts, die Entscheidung zu überdenken. „Sollte es keine öffentliche Förderung vom Ministerium geben, wird es in diesem Jahr nicht realisiert werden können, womit auch die Weiterführung in den kommenden Jahren gefährdet ist“, heißt es in der Petition.

In einer Pressemitteilung vom gestrigen Freitag unterstreicht die Stiftung, dass damit ein über die Grenzen von Brandenburg hinaus bekanntes, seit nunmehr 18 Jahren von internationalen Künstlern erfolgreich gestaltetes Projekt nicht realisiert werden könne. Der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung hofft dennoch, „dass es den Machern von Rohkunstbau gelingt, im nächsten Jahr mit gleicher Begeisterung und Qualität an die bisherigen Ausstellungen anknüpfen zu können.“

Schon in den vergangenen Jahren war die finanzielle Situation für Rohkunstbau nicht einfach. Doch konnte das Projekt durch das Engagement der Organisatoren und Eintrittseinnahmen einen großen Teil seiner Finanzierung selbst erwirtschaften. Eine dauerhafte Stabilisierung des Projektes sei aber nur möglich, wenn sich verschiedene Partner zu dieser Ausstellung ortsbezogener Kunst bekennen und ihr Engagement auch in den nächsten Jahren fortsetzen, ist in der Pressemitteilung zu lesen.

Die ambitionierte Kunst-Ausstellung fand in den vergangenen drei Jahren im Schloss Marquardt statt. 2011 wurde dort mit dem ersten Teil des auf vier Jahre angelegten Zyklus’ „Ring der Nibelungen“ begonnen, die von 6000 Besuchern an elf Wochenenden im Sommer besichtigt worden ist. Gemeinsam mit internationalen Partnern hat sich Rohkunstbau 2011 auch auf der Biennale in Venedig präsentiert. In diesem Jahr sollte der zweite Teil des „Rings“ in Schloss Roskow nahe Potsdam und Brandenburg/Havel vom 24. Juni bis 16. September zu sehen sein. Elf internationale Künstler wurden eingeladen, sich kritisch mit dem Thema „Moral“ auseinanderzusetzen. Der geplante Umzug von Marquardt in das Familienschloss der Familie Katte in Roskow hatte finanzielle Gründe. Ein Nachfahre von Hans-Hermann von Katte hätte den Künstlern von Rohkunstbau sein Schloss zu günstigen Mietkonditionen zur Verfügung gestellt. Das Konzept von Rohkunstbau ist es, junge, aufstrebende und international bekannte Künstler an einem Ort außerhalb des gängigen Kulturbetriebs einzuladen, um neue themenspezifische Arbeiten zu realisieren, die sich auf den Ausstellungsort beziehen. Von 2006 bis 2008 wurden beispielsweise zu der Kieslowski-Trilogie „Drei Farben Blau – Weiß – Rot“ gemeinsame Ideen entwickelt.

Rohkunstbau wurde 1994 im Spreewald gegründet. Das Projekt startete in einem Rohbau – daher der Name – im Wasserschloss Groß Leuthen und entwickelte sich von einem regionalen Künstlerwochenend-Happening zu einem renommierten Kunstfestival. 2007 musste Rohkunstbau sein Domizil in Groß Leuthen verlassen und fand im Schloss Sacrow sowie 2008 in der Villa Kellermann in Potsdam statt. Von 2009 bis 2011 stellte Rohkunstbau im Schloss Marquardt aus. Jetzt sollte es ins Schloss Roskow gehen. Die Gemeindevertreter hatten die Ankündigung der Ausstellung mit Wohlwollen aufgenommen.

Im Internet haben sich zahlreiche Unterstützer des Vereins zu Worte gemeldet. Da heißt es unter anderem: „Rohkunstbau ist ein Höhepunkt des Sommers. Die spannend kuratierten Ausstellungen an ausgewählten Orten Brandenburgs sind einen Ausflug wert. Rohkunstbau muss bleiben.“

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