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Hanne Bahra

© privat

Kultur: Preußen war immer ihr Thema

Die Autorin Hanne Bahra wird heute 60

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Sie kommt sich fast schon ein bisschen asozial vor, wenn sie am heutigen Donnerstag ganz allein ihren 60. Geburtstag feiert. „Vielleicht ist das ein Vorgeschmack auf die Einsamkeit des Alters.“ Erst sollte es ein großes Fest mit Musik werden. Doch dann dachte Hanne Bahra an die viele Arbeit und dass sie sich eigentlich nicht mehr stressen möchte. Also verschwindet sie nun ohne Töchter, Mann und Freunde für ein paar Stunden im „Kleinen Himmel“ des Wellness Hotels „Zur Bleiche“ im Spreewald. Die Potsdamer Journalistin und Autorin, bekannt unter anderem durch ihre sehr lebendigen Biografien über „Königin Luise“ und den Unternehmer Siegfried Zabel, der die Glashütte Döbern wiedereröffnete, erzählt freimütig über ihre diffusen Gefühle zum Älterwerden und dass sie plötzlich die Endlichkeit vor sich sieht. „Als noch die 5 davor stand, klang alles noch zukunftsträchtig. Jetzt ist das Alter plötzlich ein Thema.“ Sie nimmt es mit Galgenhumor und sagt mit gesundem Selbsterhaltungstrieb: „Konzentrieren wir uns auf das, was ist.“

Und da sind gerade die vielen Eindrücke von ihrer Reise nach Vincente, auf der sie auf den Spuren Palladios, dem bedeutenden Architekten der Renaissance, wandelte. Diese Reise unternahm sie für eine Zeitschriften-Reportage über Friedrich II., der sich für seine Bauwerke an die kunsttheoretischen Werke Palladios orientierte, ohne die Originale je gesehen zu haben. Hanne Bahra weiß den Wert des Reisens zu schätzen. Sie litt sehr unter der Enge der DDR, vor allem nachdem sie mit ihrem Mann Bob Bahra Ende der 70er Jahre einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Hanne Bahra wurde daraufhin von der Universität Leipzig, an der sie Kunstgeschichte studierte, exmatrikuliert. Erst nach zehn Jahren, kurz vor Mauerfall, bekamen sie die Ausreisegenehmigung. Doch nun wollten sie nicht mehr weg. „Wir waren einfach kaputt gespielt, paralysiert. Immer saßen wir auf Koffern.“

Hanne Bahra lernte töpfern, verkaufte an der Ostsee selbstgemachten Schmuck. Kurze Zeit arbeitete sie auch in einem Potsdamer Antiquitätengeschäft und musste mit ansehen, wie ihre Chefin Menschen, die eine Zusage auf Ausreise hatten, ausnutzte. Wenn jemand seine Möbel mitnehmen wollte, musste er sie begutachten lassen. Bekamen sie den Stempel „Kunst- und Kulturgut der DDR“, durfte er sie nicht mitnehmen, sondern preisgünstig verkaufen. Ihr Mann Bob übermalte für Freunde wertvolle Bilder mit Wasserfarbe, so dass sie sie problemlos ausführen konnten. „Das hat die Stasi mitbekommen und jemand auf uns angesetzt. Sie wollten uns kriminalisieren, wie wir später in unseren Akten lasen. Aber wir haben es rechtzeitig gemerkt.“

Dass sie viel länger als andere auf die Ausreise warten mussten, erklärt sich Hanne Bahra damit, dass man an ihnen ein Exempel statuieren wollte. „Wir waren in Potsdam bekannt wie bunte Hunde. Außerdem war mein Vater ein staatstragender Mann.“ Er arbeitete als Studienrat an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, dort wo auch die Tochter zwei Semester Deutsch und Geschichte studierte. „Ich hatte immer Ärger. Und als für alle Studenten das Verbot kam, das Café Heider zu besuchen, weil dort die ,Staatsfeinde’, also die Intellektuellen und Künstler, saßen, ging ich von selbst.“ Schließlich war gerade dieser Treff ihr geistiges Zuhause. Die kunstsinnige Frau machte nun für drei Jahre Führungen im Neuen Palais. „Preußen und Friedrich II. begleiten mich seit meinen frühen Jahren.“

Doch um darüber schreiben zu können, wie gerade in ihrem neuen Buch „Brandenburg einst und jetzt“, musste erst die Wende kommen. Den Einstieg fand sie über den „Tagesspiegel“. „Wir hatten Kontakt zu der Zeitung und als 1989 in Potsdam das Theodor-Storm-Haus im Holländischen Viertel abgerissen werden sollte, gaben wir den Journalisten einen Hinweis auf die bedrohliche Situation. Der folgende Artikel konnte den Abriss zwar nicht verhindern, aber Hanne Bahra wurde nun selbst als Autorin für einen ersten Reiseführer über Potsdam gewonnen. Es folgte Buch auf Buch, inzwischen sind es über 20, vor allem mit Fokus auf Potsdam und Brandenburg. Sie kennt die schönsten Ecken. Und natürlich den Spreewald, in dem sie heute in aller Stille eintaucht. Heidi Jäger

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