Kultur: Preußens und Italiens Orgelklang
Wegscheider Orgel in der Heilandskirche Sacrow geweiht / Erstes Konzert mit Matthias Trommer
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Ein großer und bewegender Tag für die Heilandskirche Sacrow, für ihre Gemeinde sowie für die Kirchenmusik in Potsdam. Die Zeit, in der Matthias Trommer ohne „Königin der Instrumente“ die Gottesdienste und Konzerte gestalten musste, hat ein Ende. In der Heilandskirche wurde am Sonntagnachmittag die neue Orgel aus der Dresdner Werkstatt von Kristian Wegscheider eingeweiht. Nach mehr als 60 Jahren ertönt im Sacrower Gotteshaus wieder Orgelmusik. In der Kirche fanden nicht alle Gäste Platz, so groß war der Andrang.
Matthias Trommer spielte als erstes Werk auf „seiner“ Orgel den Choral „Allein Gott, in der Höh’, sei Ehr“ von Bach. Die Anwesenden stimmten dankbar mit ein. In die große Freude des Sonntagnachmittags mischten sich manche Erinnerungen an vergangene Zeiten. Denn das Gotteshaus, das der Architekt Ludwig Persius im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. im italienisierenden Stil malerisch an der Havel platzierte, hatte schwere Zeiten zu erdulden. Im Grenzgebiet stehend, wurde die Kirche Ende 1961 von Grenzsoldaten verwüstet. 38 Jahre lang konnten dort keine Gottesdienste mehr stattfinden. Die Kirche verfiel immer mehr.
Nach dem Mauerfall 1989 wurde der sakrale Bau saniert und restauriert. Heute gehört er wieder zu den schönsten Kirchen der Potsdamer und Berliner Kulturlandschaft. Vom Beginn der Sanierung an war klar, dass auch die Orgel wieder ihren angestammten Platz auf der Empore unter der Fensterrosette erhalten muss. Die Gemeinde und der Verein „ars sacrow“ engagierten sich mit vielfältigen Veranstaltungen, um das Spendensammeln zum Erfolg zu führen.
Die einstige Heise-Orgel aus der Erbauungszeit im Jahr 1844 wurde 1945 demoliert und 1961 vollständig zerstört. Beim Neubau wurde nun Wert darauf gelegt, dass das Äußere, also das Gehäuse, rekonstruiert wird. Trotz der hoch aufragenden Rundtürme, die dem Ganzen Halt geben, vermittelt die schwungvolle Vorderansicht und die Fensterrosette eine schöne Leichtigkeit. Orgelbaumeister Kristian Wegscheider entschied sich, der „Königin“ eine Klanggestalt zu geben, die sich dem italienisierenden Charakter des Bauwerks und dem preußischen Geist seines Erbauers anpasst. Somit verfügt die Orgel über ein „solides preußisches“ Fundament, dem Stimmen mit einem italienischen Touch beigegeben sind.
Diese Verbindung erweist sich als glückhaft. Man konnte es im ersten Konzert eindrücklich hören. Matthias Trommer kostete viele Facetten des Instruments mit den zwei Manualen, dem Pedal, den 17 Registern, zu denen sich Wechselschleifen gesellen, aus.
Ein farbiges Programm bot der Organist, in dem Johann Sebastian Bach vorrangig das Sagen hatte. Zwei Orgelchoräle, die Fantasie und Fuge a-Moll BWV 561 und insbesondere die Fantasie G-Dur BWV 571, bei der der Bach-Biograf Philipp Spitta „ein entzücktes Genießen im Klangmeer“ wahrnahm. Trommer verstand die Werke flexibel zu phrasieren, fein zu nuancieren und abwechslungsreich zu registrieren. Kein Stück klang wie das andere. Das war auch bei den „kleinen“ Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts, Kerll, Frescobaldi und Murschhauser, zu hören. Der obertonreiche silbrige Klang mischte sich wunderbar mit der dunkel-warmen Flöte.
Die romantische „Andachtsmusik“, die Messe für Orgel von Franz Liszt, bestach durch ihre innige kammermusikalische Gestaltung des Kirchenmusikers. Und natürlich erklangen auch eigene Werke von Matthias Trommer: drei Psalmvertonungen für Sprecher (Reinhard Beyer) und Orgel. Dankbar nahmen die Besucher das erste Konzert auf der Wegscheider-Orgel, die sich klanglich dem Raum der Heilandskirche so wunderbar anpasst, auf. Ein wohl historischer Tag für Sacrow und darüber hinaus. Klaus Büstrin
Das nächste Konzert am Freitag, 19. Juni, 19.30 Uhr mit Michael Bernecker.
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