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PNN-Serie: Was macht die Kunst?: Punktlandung in Waldstadt: "Die sieben Raben"

Die Skulptur von Rudolf Böhm „Die sieben Raben“ steht wieder – fast an ihrem angestammten Ort.

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Mit dem Abstand der Jahre und einiger Gelassenheit schaut Rudolf Böhm zu, wie seine Skulptur langsam vom Haken gelassen wird: „Die Sieben Raben“ kehren mit einem Kranauto zurück nach Waldstadt. Sie hatten Bauarbeiten der Firma Semmelhaack weichen müssen, wurden zwischengelagert – und landen am gestrigen Donnerstag, nach zwei Jahren Auszeit im Lager der Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze, punktgenau auf dem neuen Betonsockel.

„Ist doch ein schöner Platz hier“, sagt Böhm an der Ecke Am Schlangenfenn. Auch dieser Straßenname passt irgendwie zu dem Thema der Sandsteinfigur. Es ist ein Grimmsmärchen, das Böhm zusammen mit Water Rentzsch 1987 in Stein gehauen hat. „Märchen waren unverfänglich, unpolitisch, damit konnte man nichts falsch machen“, sagt er. Er war damals schon glücklich, dass es überhaupt die Möglichkeit gab, moderne Kunst anzufertigen. Er durfte in der Werkstatt im Schirrhof des Schlossparks arbeiten. Dort war hauptsächlich sein Arbeitsplatz als Restaurator für die Schlösserstiftung, 40 Jahre lang. Seit 2006 ist er im Ruhestand.

Für Potsdam hat der Bildhauer damals mehrere Werke geschaffen, darunter fünf Brunnen. „Brunnen sind immer Sorgenkinder“, sagt er. Nur einer funktioniert bis heute, er steht in der Brandenburger Straße gegenüber vom Luisenplatz. „Die Sieben Raben“ sollten auch einer werden. Das Loch, aus dem das Wasser kommen sollte, ist noch zu sehen. Aber nie floß hier welches. Zu aufwendig, zu anfällig, solche Wasserspiele, sagt der Bildhauer.

Aber auch ohne Wasser ist sie schön, die mannshohe Sandsteinfigur. Man muss freilich mal genauer hinschauen. Dann entdeckt man den Vater, der die Arme in den Himmel reckt, dorthin, wo seine sieben Söhne – in Raben verwandelt – fliegen. Warum? Weil er sie eben verwünscht hat. Auf der anderen Seite steht das Töchterchen am Wasser, Brot und Krug in den Händen. Und wird, laut Grimm, ihre Brüder einst erlösen.

Etwa 1,20 Meter hoch ist der untere Teil, ähnlich einem dicken Baustamm mit vier Seiten. Der obere Teil ist dicker, er soll die Baumkrone darstellen. „Toplastig“ nennt das Michael Groth von der Firma Schulze. Deshalb sind im Fundament vier dicke Metallstreben eingelassen, die ins Innere der Figur ragen. Und sie vor dem Stürzen halten sollen. An sich steht sie aufrund ihres Eigengewichts – bestimmt 3,5 Tonnen – schon sicher, sagt Groth. Aber man weiß ja nie.

Die Waldstädter nehmen wenig Notiz von dem, was hier am Donnerstag vor sich geht. Ein Man kommt dann doch etwas näher. Er wohnt hier seit 1985, sagt er, Erstbezug, gleich um die Ecke. An die Skulptur kann er sich nicht erinnern. Dabei stand sie bis 2013 nur wenige Meter weiter, wo jetzt die Einfahrt zu einer neuen Tiefgarage ist.

Waldstadt II war damals in der DDR ein Vorzeige-Wohngebiet. „Dafür gab es sogar einen Preis“, sagt Kulturamtschefin Bianca Peetz-Mühlstein, die ebenfalls zuschaut. Man versuchte damals, sagt sie, den Waldcharakter zwischen den Wohnblocks zu erhalten, und auch Kunst wie die von Böhm zog ein. Es gab viele Kinder hier. Die Kunst sollte Landmarke werden. Vielleicht hat ja mal ein Kind gesagt, ich wohne hinter den sieben Raben. Wer weiß.

Jetzt sind sie wieder da. Als sie auf dem neuen Betonsockel stehen, stutzt Rudolf Böhm. Der Vater habe ja gar kein Gesicht mehr, sagt er, die Nase ist weg, der Mund nur noch zu ahnen. Die Wange eingefallen. Die Patina legt nahe, dass die Schäden nicht neu sind. Es berührt ihn trotzdem.

Man wird sehen, sagt er, ob und wann das ausgebessert wird. Immerhin, die fein herausgearbeiteten Hosenträger des Mannes sind noch gut zu erkennen. Ebenso die Federkleider der Vögel, zarte Linien, eine Fleißarbeit. Und je größer die Entfernung, desto plastischer werden die Raben, die mit ihren fetten Flügeln in dem Geäst hocken oder den Kopf des Vaters umfliegen, ihn fast berühren. Der Sandstein ist leicht verwittert, nächste Woche soll er gereinigt werden.

Ein wenig Sorgen macht sich Böhm, auch wenn dann alles sicher steht, um den Sockel. Gern hätte er das Fundament 15 Zentimeter höher gehabt. Damit das Wasser nicht so dicht an den Sandstein herankommt. „Das zieht da rein und macht ihn kaputt“, sagt Böhm. Nun aber steht alles. Michael Groth schlägt vor, einen Streifen Grobkies drum herum anzulegen, der das Wasser auffängt, die Spritzwirkung mindert. „Wie beim Deserteurdenkmal"“ sagt Groth. Böhm findet das gut.

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