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Kultur: Relativ endlos laufen

Zwischen Kunst und Wissenschaft: Installationen von Angelika Middendorf im Luisenforum

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Zwischen Kunst und Wissenschaft: Installationen von Angelika Middendorf im Luisenforum Von Almut Andrae Kunst und Wissenschaft im Dialog bergen ein Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Diese Korrelation wird seit einigen Jahren in Ausstellungsprojekten des Brandenburgischen Kunstvereins in Potsdam immer wieder aufs Neue ausgelotet. Im Rahmen des Einstein-Jahres konnte die in Berlin lebende Künstlerin Angelika Middendorf für eine Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Kunstverein gewonnen werden. In der Ausstellung „looping space“ präsentiert die Künstlerin im Luisenforum die Videoinstallation WESTITIS und die Audio-Installation RELATIV on air, beide Werke sind in diesem Jahr entstanden. In der anlässlich des Einstein-Jahres für den Äther entwickelten Audio-Installation „RELATIV on air" navigieren eine Erzählstimme (Angelika Middendorf) und elektronische Soundsequenzen durch den abgedunkelten Raum. Zwischen 22 und 36 Sekunden lang sind die insgesamt 11 mit Titeln wie „ruhe energie“ („rest energy“) oder „bewegte systeme“ („motion systems“) überschriebenen „experimentellen Audiostücke“. In der hörspielartigen Aufbereitung entführt die orakelhaft raunende Erzählstimme (zunächst auf Deutsch, dann auf Englisch) den Zuhörer in die geheimnisvolle Welt des Science Fiction. Inhaltlich sind historische Fragmente der Theorien Einsteins sowie physikalische Erkenntnisse unserer Zeit eingearbeitet. Fragen des Typs: „Zeit ist etwas, was man an der Uhr abliest, oder etwa nicht?“ und Statements („Zufall ist nur der Ausdruck unserer Unfähigkeit, den Dingen auf den Grund zu kommen“) stehen in der Audio-Installation gleichwertig nebeneinander und werfen den Zuhörer letztlich auf sich selbst zurück. Optische Haltepunkte in Form zweier Leuchtkästen bieten in dem dunklen Raum ein Stück weit Orientierung. Die von der Künstlerin als Diptychon konzipierte Arbeit mit dem Titel „RELATIVE eclipse“ zeigt eine Aufnahme der Sonnenfinsternis, die am 29. Mai 1919 in Südafrika zu sehen war. Mit diesem Datum verbindet sich für die Wissenschaft die Bestätigung der Relativitätstheorie. Der Entstehung von „RELATIV on air“ gingen lange Recherchen der Künstlerin voraus. Zahlreiche Interviews mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Institutes für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, Golm) standen dabei im Zentrum ihrer Nachforschungen. Vielleicht ist die gemeinsame Schnittmenge zwischen Middendorfs ureigenstem Interesse als Künstlerin und dem der Gravitationsphysiker folgende: Nachdenken über das, was die Welt im Innersten zusammenhält beziehungsweise – mit den Worten der Künstlerin ausgedrückt – die Suche einer Antwort auf unsere Fragen. Augenfälliger zeigt das in der Ausstellung die Videoinstallation „WESTITIS“. Eine freistehende Wand dient als doppelseitige Projektionsfläche für ein 2-Kanal-Video. Zu sehen ist auf der einen Seite ein Pferd und auf der anderen ein Kamel, beide in wechselnder Geschwindigkeit über ein Laufband rennend. Gezeigt wird eine Situation aus dem Aufbau- und Hochleistungstraining, für das spezielle Hochgeschwindigkeitslaufbänder, so genannte High-Speed-Treadmills, entwickelt wurden. In dieser aktuellsten Videoarbeit aus dem 1999 begonnenen Projekt „Treadmills-Series“ wird durch die nachträgliche Bearbeitung der Videoaufnahmen die Wahrnehmung von Geschwindigkeit quasi konterkariert: Der tatsächlichen Bewegung und Schnelligkeit der Tiere auf dem Laufband wird durch die willkürliche Verlangsamung beziehungsweise Geschwindigkeitssteigerung der Loops entgegengewirkt. Dahinter steht das Interesse Angelika Middendorfs und gleichzeitig der thematische Fokus der Ausstellung „looping space“, bewegte Systeme in Raum und (Digital-)Zeit zu visualisieren. Die Bewegungsabläufe und das Tempo der beiden Renntiere werden durch die Manipulation der Videos so gut wie nivelliert, Bewegung und Geschwindigkeit gerinnen zu einer Endlosschleife. Die Gegenüberstellung von Pferd und Kamel ist anspielungsreich (man denke nur an das Gegensatzpaar Orient – Okzident), ohne dabei Bedeutung zwingend vorzugeben. In „WESTITIS“ erreicht die künstlerische Anverwandlung physikalischer Gesetzmäßigkeiten einen meditativen Charakter und eine Leichtigkeit, die in „RELATIV on air“ (im Äther) verhallen. Bis zum 17. Juli: Di-So 12-18 Uhr. Am 14.7., 19.30 Uhr: „On Air – zum Begriff des Äthers in Kultur und Wissenschaft“, Podiumsdiskussion mit Markus Pössel (Physiker, Albert-Einstein-Institut), Dr. Wolfgang Hagen (Medienwissenschaftler, Humboldt Universität Berlin) sowie weiteren Wissenschaftlern und Radiomachern aus Berlin und Brandenburg

Almut Andrae

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