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„Das alte Kino“, 2002. Ein Gemälde von Peter Rohn, das in der aktuellen Ausstellung im Potsdam Museum zu sehen ist. Er lebt selbst in dem gezeigten Stadtviertel, Potsdam-West.

© Ottmar Winter

Retrospektive zu Peter Rohn: Wo Hell und Dunkel sich die Hand geben

Gemälde, Grafiken, Fotos: Peter Rohn ist seit 60 Jahren unkorrumpierbarer Chronist Potsdams. Das feiert das städtische Museum mit einer Sonderausstellung.

Der Maler Peter Rohn will die Dinge zeigen, wie sie sind. So kann der Frühling eine Müllhalde sein und das heute so hübsche Bornstedter Feld ein matschiges Schießgelände. Ein großformatiges Gemälde von 1977 beweist es: Zu sehen ist eine zugerümpelte Landschaft. Links ein Hügel mit improvisiertem Bretterverschlag, davor ein paar niedrige Schweineställe. Im Vordergrund aufgewühlte Erde und Reifenspuren. Grobkörnige Erde ragt aus der Bildfläche hinaus, sie wirkt wie Schmutzklumpen - und das Ganze wie eine Antithese zum Datum der Szene: 1. Mai. Tag der Arbeit.

Sechzig Jahre Potsdam

Ab Samstag (5. November) ist Rohns Bild im Potsdam Museum zu sehen. „Welt in Hell und Dunkel“ heißt die Ausstellung, die nichts weniger will, als die Arbeit von sechs Jahrzehnten in den Blick nehmen. So lange lebt der 1934 in Dresden Geborene schon in Potsdam. Rund dreißig Jahre bis zur Wende, dreißig danach. Das Dunkel im Ausstellungstitel bezieht Rohn selbst auf die Lebensrealität der Menschen, die in seinen Landschaften wohnen: die Werktätigen. Im Winter morgens im Dunkel raus, abends im Dunkel heim.

Peter Rohn: Blühender Kirschbaum (Das Bornstedter Feld am 1. Mai 1977)
Peter Rohn: Blühender Kirschbaum (Das Bornstedter Feld am 1. Mai 1977)

© Ottmar Winter

Wer durch die Personalausstellung im Potsdam Museum geht, erkennt jedoch: Hell und Dunkel geben sich auch in den Bildern selbst die Hand. In den dunklen Gassen von Nowawes, gemalt in den 1980er Jahren, finden sich erleuchtete Fenster oder brennende Mülltonnen. Der berühmte „Blick aus dem Potsdamer Klubhaus“ von 1966 zeigt vor dunkelblauem Nachthimmel die bunten Lichter eines Jahrmarkts auf dem Lustgarten. In den bleiernen Himmel über der Landschaft am 1. Mai 1977 schleicht sich ein helles Gelb. Und mittendrin, in aufrüttelndem Gegensatz zu Schrott und Schweinestall, steht da ein Kirschbäumchen. In voller Blüte.

Peter Rohn beschreibt sich selbst als jemand zwischen den Stühlen. In der DDR war er weder Dissident noch staatsnah. Die Zeit vor 1989 war für ihn kein Zuckerschlecken, und dennoch wollte und konnte er die DDR nie verteufeln. Seine Arbeiten spiegeln diese Ambivalenz. Ist sein 1. Mai, in der DDR ein Tag der FDJ- und NVA-Aufmärsche, in seiner Tristesse nun deutlich subversiv oder dominiert nicht doch die blühende Hoffnung? Womöglich beides zugleich. Bei Peter Rohn hat die Wirklichkeit nie nur eine Facette. „Ich will die Welt zeigen, wie sie ist“, sagt er. „Nicht wie sie sein könnte.“ Und er will mit seiner Kunst berühren. Das ist es, was Kunst für ihn soll.

Der Maler Peter Rohn in seinem Atelier in Potsdam-West
Der Maler Peter Rohn in seinem Atelier in Potsdam-West

© Ottmar Winter

Ein Mensch, viele Wirklichkeiten

Peter Rohn hat selbst viele Wirklichkeiten erlebt. Den bürgerlichen Familienhintergrund der Eltern, die in der Dresdner Prager Straße das größte Reisebüro besaßen. Die Aschepartikel, die ihm nach der Bombardierung 1945 vom Himmel auf die Handflächen rieselten, als wäre es Schnee. Die Mutter, die als Hilfsarbeiterin drei Kinder durchbringen musste. Die harte Realität von Menschen im Dreischichtbetrieb, die er selbst zeitweise erlebte. Die Tatsache, dass er von seiner Kunst kaum leben konnte. Dass man manchmal, wie im Fall der Skulptur „Flugschiff“, die heute in der Schiffbauergasse hängt, Jahre auf die Verwirklichung warten musste. Und dass er, wie er sagt, in der offiziellen DDR-Kunstkritik kaum vorkam.

Für den Potsdamer Resonanzraum jedoch ist Peter Rohns Rolle kaum zu überschätzen. Als das Museum Potsdamer:innen darüber abstimmen ließ, welche Werke aus dem Depot öfter gezeigt werden sollten, war er überdurchschnittlich oft vertreten. Das dürfte an der Ambivalenz seiner Werke liegen, aber auch daran, dass Rohn ein unkorrumpierbarer Chronist dieser Stadt ist.

Er hat festgehalten, was auf keinen Postkarten zu sehen war. Das Bornstedter Feld, als es noch Kasernengelände war. Die Abrisshäuser in der Lennéstraße. Den von der Mauer zerschnittenen Blick vom Babelsberger Schloss. Die Müllhaufen im dunklen Nowawes der 1980er Jahre. Die „Mauerfotografien“, aufgenommen direkt nach dem 9. November 1989. Und auch Potsdams „neue Ästhetik“ nach 1990, wie Andreas Hüneke es im Katalog beschreibt: „die Ästhetik des Konsums“.

Peter Rohn: „Die Brücke der Einheit. Die Glienicker Brücke in Zeiten der Mauer“, 1991
Peter Rohn: „Die Brücke der Einheit. Die Glienicker Brücke in Zeiten der Mauer“, 1991

© Ottmar Winter

Wer prägte ihn, wen prägte er?

Die Ausstellung im Potsdam Museum, nach 1968 und 2004 die dritte zu Peter Rohn im Alten Rathaus, nimmt Gemälde, Grafiken und Fotografien in den Blick, insgesamt 94 Werke. Eine beeindruckende Palette. Statt auf ohnehin bekannte Werke setzen die Kuratorinnen Jutta Götzmann und Hendrikje Warmt auf Entdeckungen. Und auf den Menschen Peter Rohn: Eine ausführliche Vita umreißt seine Biografie, ein Film von Kristina Tschesch lässt ihn selbst zu Wort kommen, persönliche Fotos zeigen ihn als Freiluftmaler in der Bornstedter Feldflur, als Student beim Fasching in Dresden. Auf einer Reproduktion des berühmten Gemäldes „Potsdamer Maler“ von Karl Raetsch sieht man ihn in den späten 1970er Jahren. Ganz links, mit Weinglas.

Es menschelt hier also sehr, und daran ist nichts Falsches. Nur: Was man in dieser Ausstellung weitgehend umsonst sucht, ist die Einordnung dieses Solitärs in den künstlerischen Kontext, in dem er steht - bewusst oder nicht. Wo sieht man Referenzen an den verehrten Pieter Bruegel, wer prägte ihn ästhetisch? Und: Wen prägte er? Erinnert das erstaunlich flächige „Nächtliche Meer“ nur zufällig an Karl Hagemeister? Ein paar Hinweise finden sich im Katalog. Die Ausstellung selbst aber, so wichtig und uneingeschränkt sehenswert sie ist, lässt Peter Rohn in dem Rahmen, in dem man ihn bereits kennt: in Potsdam. Für ein städtisches Museum mag das genug sein. Für die Würdigung des lange nicht genug gewürdigten Künstlers Peter Rohn will es einem etwas wenig vorkommen.

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