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Kultur: Robuste Gesellen vor lichter Melancholie

Karo & Klink stellen ab morgen in der Galerie Töplitz aus: Kraftvolle Holzfiguren und in die Weite blickende Landschaften

Stand:

Toto sitzt wie verwachsen auf seinem Lindenbaumstamm. Mit geschlossenen Augen lächelt er selbstvergessen und zufrieden in sich hinein. Hellmut und Peter scheinen von anderer Natur. Das triefige Doppel in kariertem Pyjama und Fliegenpilz-Shorts hat den Schlaf noch nicht ganz abgeschüttelt. Für einen Guten Morgen fehlt es den beiden noch an Spannkraft. Die Haut zeigt tiefe Riefen. Die kräftigen Herren waren im ersten Leben ein Kastanienbaum – und diese Herkunft möchten sie auch keineswegs verschweigen. Sie sind eben schiefe Kerle, so wie ihr Stamm einst gewachsen ist.

Ihre jetzige Statur verdanken die untersetzten Mannen dem Bildhauer Albrecht Klink. Er weiß, dem Material ganz eigene Töne abzulauschen. Von Kindesbeinen an ist er mit ihm vertraut, wie er gestern in der Galerie Töplitz erzählt. Der Urgroßvater war Steinmetz, der Großvater Bildhauer und auch der Vater blieb dem Metier verschworen. Nur der Sohn sollte sich dieser brotlosen Kunst verweigern. Und so wurde der 1962 am Rhein geborene junge Mann Medizintechniker. 1993 schlugen die Wurzeln aber doch vehement durch. Klink kündigte der Medizin auf, nahm sich einen Job als Hausmeister und laborierte nunmehr in Bronze und Steinguss. Vor fünf Jahren kehrte er ganz zurück zum vertrauten Material seiner Kindheit, dem Holz. Die bis maximal 1,30 Meter aufstrebenden Figuren seien die ideale Größe für ihn. „Damit kann ich einen sehr emotionalen Zustand erreichen, die Figur in einem begreifen. Außerdem passen sie so am besten ins Wohnzimmer.“ Albrecht Klink muss schließlich auch von seiner Arbeit leben. Und das gelingt ihm inzwischen ohne Nebenjob. Sein auf über 300 Mitglieder stattlich angewachsener Männer-„Chor“ singt in verschiedensten Nuancen. Um die Individualität zu unterstreichen, verleiht der Künstler auch jedem einen Namen. „Vor Jahren waren meine Arbeiten noch streng und ernst“ – so wie es ihm die Ahnen lehrten. „Aber irgendwann wollte ich nicht mehr nur Probleme hinstellen, ausgezehrte Figuren im Stile Giacomettis.“ Inzwischen schnitzt er robuste, selbstbewusste Gesellen aus den Stämmen heraus – mit Rissen und Astlöchern – so wie sie sind. Nichts wird geglättet oder beschönigt. Am Ende kommt höchstens ein farbiges Hemd oder Höschen dazu. Ansonsten regiert die Natur. Auf Haare oder Ohren kann der Künstler dabei verzichten – der Gestus macht“s, nicht das verlierende Detail. Mit Frauen tut er sich bislang noch schwer, „über sie müsste ich nachdenken. Männer kenne ich besser, da geht es ganz intuitiv zur Sache.“ Besonders gern nimmt er Holz mit Geschichten unters Messer, die Birne aus Nachbars Garten, die Esche aus dem eigenen. „Mein Lieblingsbaum ist die Olive mit ihrer sehr individuellen Maserung. Oft hat sie schon Brände überlebt, zeigt das mit verkohlter Rinde und intensiv gefärbter Maserung. Das Holz trägt in sich die Jahresringe, so wie ich mein Rückgrat“. Daran gibt“s nichts zu verbiegen.

Die Kraftprotze und Raubeine, Sanftmütigen und Melancholiker fühlen sich offensichtlich wohl vor den weiten Himmeln des Malers Joachim Karo in der Töplitzer Galerie. „Gerade weil ich vor dem Mauerfall so lange nicht aus Berlin rausgekommen bin, lebe ich jetzt diese Weite.“ Auch er fand erst über einen Umweg zur Kunst. Der Vater, Polizeibeamter, wollte auch für den Sohn die sichere Beamtenlaufbahn. Folgsam ging dieser zur Bundesversicherungsanstalt und wurde mit Aktenbergen zugeschüttet. Als der Vater starb, klappte der Sohn alle Deckel energisch zu und machte sich ans Malen. „Geld verdiente ich als Nachtwächter.“ Als er sich 1978 das erste Mal auf einen Kunstmarkt wagte, wurden neun seiner zwölf Bilder gekauft.

Dem Autodidakten geht es nicht um eine strikte geometrische Abbildung, sondern um gemalte Seelenzustände. Sein „Spaziergang mit Caspar“ zeigt deutlich, woher seine Inspiration beispielsweise kommt. Ab und an verlieren sich einsame Wanderer in seiner Melancholie, die durchaus auch heitere Züge trägt. Ein bunter Drache, ein verlassener Liegestuhl bringen Farbtupfer in die Landschaft an Meer und Fluss. Für die Töplitzer hat er vor Ort einen vertrauten Feldweg gemalt. Wie in seinen Aquarellen überwiegt auch in den Ölbildern die pastose Struktur. Mit feinstem Pinsel malt er fast jeden Grashalm einzeln. „Diese Akribie resultiert vielleicht aus der Pedanterie meiner Beamtenzeit. Mit zunehmenden Alter und immer dickerer Brille wird dies zwangsläufig schwieriger. Ein Kollege sagte mal: ,Seit dem ich nicht mehr kieken kann, bin ick Expressionist“.“ Davon ist bei Karo allerdings noch nichts zu merken. Jetzt sind seine Bilder wie Fenster zum Rausgucken: „Kleine Fluchten, wenn es mit der großen Freiheit nicht klappt“.

Vernissage am morgigen Samstag, 17 Uhr, zuvor um 16 Uhr Konzert in der Dorfkirche mit Daria Bartosik aus Polen, Violine und Boram Lie aus China, Violoncello

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