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Kultur: Rock statt Humptata
Das Polizeiorchester Brandenburg startet die Saison mit Flower-Power-Musik
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Die Uniform ist beiseitegehängt, das T-Shirt mit der Hard-Rock-Café-Werbung prangt auf der Brust. Drei Wochen Sommerpause, da kann auch der Chef eines Polizeiorchesters mal locker mit Drei-TageBart und Turnschuhen den Sommer rocken. Ganz abzuschalten, das gelingt Christian Köhler allerdings nicht: Die neue Spielzeit will gut vorbereitet sein, und für die hat sich der Mann mit den blonden Locken wieder einiges vorgenommen – abseits vom gängigen Humptata, was man landläufig mit einem Blasorchester verbindet.
Zum Auftakt am 15. September im Nikolaisaal, zu dem der Kartenvorverkauf bereits begonnen hat, gibt es das „Konzert für Rockband und Orchester“, das vor gut vierzig Jahren der inzwischen verstorbene Deep-Purple-Keyboarder Jon Lord geschrieben hat. „Das 1968 uraufgeführte Stück erinnert an Jimi Hendrix und ist gespickt mit straffen Gitarrensoli. Eine Musik, die gut zum legendären Hippie-Woodstock-Festival 1969 in den USA gepasst hätte“, wie Christian Köhler sagt. Er selbst findet diese Konzertidee einfach nur phänomenal: „Ein Polizeiorchester in Uniform spielt die Musik der Friedensbewegung. Und das gemeinsam mit fünf jungen Leuten im Flower Power.“
Das Landespolizeiorchester Brandenburg hat seit vielen Jahren eine Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam in der Musikausbildung. Angefangen hat das im Dirigierbereich. „Für dieses Konzert haben wir nun aus talentierten Studenten der Uni-Big-Band eine fünfköpfige Rockband herausgefiltert“, so Köhler, der Lehrbeauftragter im Bereich Musik der Universität ist. Dass die Blasmusiker auch bei diesem Konzert nicht auf ihre Uniform verzichten, liege an ihrem Werbeauftrag, so Köhler. „Schließlich sind wir nicht nur ein starker Kulturträger im Land, sondern unterstützen auch die Präventionsarbeit der Polizei. Und die Uniform gehört als Symbol einfach dazu.“ Er mache jedenfalls inbrünstig Musik, egal ob im Frack, in der Uniform oder in Badehosen. Für den studierten Vollblutmusiker ist das Musizieren in Uniform nichts Neues: In einem Orchester in Südhessen, in dem er mit der Blasmusik groß geworden ist, gehörte die Uniform auch schon dazu.
Christian Köhler kennt natürlich die Berührungsängste mit Uniformen, „auch wenn es kaum einer laut ausspricht“. Vielleicht scheiterte daran auch sein Vorhaben, gemeinsam mit dem Hans Otto Theater das Kindermusical „Oliver“ von Lionel Bart – ein Auslastungskracher, wie Köhler betont – auf die Beine zu stellen. Eine Idee, die vom Potsdamer Kindermusiktheater „Buntspecht“ an ihn herangetragen wurde und die er gern mit dem Theater als Dritten im Boot aufgegriffen hätte. Doch das Unterfangen ging durch die Absage der Intendanz baden. „Wir erhielten nur die Antwort, dass das Theater bereits sehr viel im Kinder- und Jugendbereich veranstaltet und für so ein Musical kein Geld hätte. Es ist nicht mal zu einem Gespräch gekommen. Viele kochen nur ihr eigenes Süppchen.“ Christian Köhler ist sichtlich verärgert, „wenn man nicht einmal bereit ist, intensiv die Möglichkeiten zu erörtern. Ich würde es als unheimlich befruchtend empfinden, wenn die Potsdamer Kultureinrichtungen mehr und besser zusammenarbeiten würden. Wir sitzen doch alle im selben Boot.“ Ihm liege viel an einer weiten Vernetzung, so wie es mit dem Nikolaisaal und auch mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg bestens funktioniere.
Christian Köhler, der 1980 in Darmstadt geboren wurde und an der Musikuniversität im niederländischen Maastricht studiert hat, leitet seit zwei Jahren das Landespolizeiorchester Brandenburg. Er war deutschlandweit der erste, der sich vorgewagt hat, für Blasorchester eine eigene Abonnenten-Reihe aufzulegen. Das war im vergangenen Jahr im Nikolaisaal: vier Konzerte mit 25-prozentiger Ermäßigung. „Und die Konzerte waren fast immer bis zum letzten Platz gefüllt.“ Das werde mit den vier Konzerten in der kommenden Saison sicher nicht anders sein, zeigt er sich zuversichtlich. Aber mit dem Auftaktprogramm Mitte September ist er sich doch ein bisschen unsicher. Der Einstieg mit dem Kinderchor der Singakademie, die Popklassiker singen, werde sicher allen gefallen. Aber dann mit der Lord-Komposition im zweiten Teil wird es auch rockig und laut. „Das kann, muss aber nicht gut gehen bei unserem doch etwas älteren Stammpublikum. Wir wollen uns aber mit diesem Konzert auch an die Generation zwischen 30 und 50 richten, die bislang weniger zu uns kommt.“
Köhler ist kein Leisetreter. Und die Zahlen geben ihm recht: über 200 Konzerte mit 70 000 Zuhörern, so die Bilanz der vergangenen Spielzeit. „Damit sind wir endlich da, wo wir früher schon einmal waren.“ Es habe vor seiner Zeit Einbrüche in der Akzeptanz gegeben. Deshalb sei es ihm wichtig, den Spagat hinzubekommen, die traditionelle Hörerschaft, die zumeist über 50 Jahre ist, mitzunehmen, und auch das jüngere Publikum anzusprechen. „Wir dürfen auf keinen Fall an den Menschen vorbeispielen, schließlich leben wir vom Steuerzahler“, betont er immer wieder.
Sein Vorgänger hatte sich vor allem auf die sinfonische Blasorchesterliteraur eingeschossen und den Stil-Mix außer Acht gelassen. „Doch die Mischung macht’s“, glaubt Köhler. Er möchte die Zuhörer nicht zwei Stunden mit Sachen konfrontieren, die sie nicht kennen. Das sind für ihn Liebhaberkonzerte. Sein Klangkörper soll allen Bürgern gehören, postuliert der 33-jährige Posaunist und Orchesterchef.
Kultur dorthin bringen, wo lange Zeit nichts los war: bis an die Landesgrenzen – so heißt der Auftrag an die 45 Musiker und zwei Dirigenten. Und so werden sie auch das Rock-Oratorium „Queen-Symphony“ von Tolga Kashif 2014 in die Provinz bringen: an die Uckermärkischen Bühnen Schwedt. Im Herbst 2012 spielten sie es in der Philharmonie Berlin. „Das Haus war fast ausverkauft.“ Für Köhler zeugt das vom hohen Beliebtheitsgrad des Orchesters. Er ist sich sicher: „Mit so einem Klangkörper wie dem Polizeiorchester kann ich handfest die Musik von heute spielen. Und alle Generationen zusammenbringen.“ Dafür ist er angetreten. Dafür steht sein Auftaktkonzert der neuen Saison. Die „Queen“ wird allerdings nicht nach Potsdam kommen. Für dieses Riesenwerk mit 250 Leuten im Chor ist der Nikolaisaal zu klein.Heidi Jäger
Karten für das Konzert am Sonntag, dem 15. September, um 15 Uhr im Nikolaisaal gibt es unter Tel. (0331) 28 888 28
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