zum Hauptinhalt

Kultur: Römische Bäder: Zelter, Goethe und „Die Stimme“

Christian Brückner ist dafür berühmt, dass er seine Stimme anderen Personen leiht. Ob das Robert de Niro oder Robert Redford ist, für uns deutsche Zuschauer amerikanischer Heldenepen verschmilzt seine Stimme mit diesen Figuren, sie ist in unserem Ohr untrennbar mit den Großen Hollywoods verbunden.

Stand:

Christian Brückner ist dafür berühmt, dass er seine Stimme anderen Personen leiht. Ob das Robert de Niro oder Robert Redford ist, für uns deutsche Zuschauer amerikanischer Heldenepen verschmilzt seine Stimme mit diesen Figuren, sie ist in unserem Ohr untrennbar mit den Großen Hollywoods verbunden. Da ist etwas Magisches in der Art, wie sein guttural rauchiges Tönen Seelenvorgänge transportiert, etwas zutiefst Männliches, Machohaftes vielleicht, das aber auch die Verletzungen der männlichen Seele wie tiefe Risse in der Selbstgewissheit zeigt.

Vielleicht ist es ja das, was man an ihm so mag, und so war es nicht verwunderlich, dass am Samstag viele Interessierte zu den Römischen Bädern gekommen waren, um ihn „Das Märchen“ von Goethe rezitieren zu hören. In dieser lauschigen Umgebung, wo der große Mann im deutschen Ohr an einem brüchigen Marmortisch saß und man durch den Bogen auf die Naturidylle sehen konnte, eröffnete Hendrik Röder vom Brandenburgischen Literaturbüro, dass „aus egoistischen Gründen“ kurzerhand das Programm geändert worden sei. Im Rahmen der sorgfältig aufbereiteten und zart präsentierten Ausstellung „Goethe und die Mark Brandenburg“ wurde nämlich aus der 850 Briefe umfassenden Korrespondenz Goethes mit dem Bauunternehmer und Komponisten Carl Friedrich Zelter ein Hörbuch aus 32 Briefen produziert, und das wolle man nun vorstellen.

Das Publikum nahm die Änderung gelassen hin, konnte es so doch Brückner gleich in zwei Versionen seiner Männlichkeit bewundern: als Zelter um die Freundschaft Goethes werbend, zart bittend und manchmal untertänig, als Goethe im tiefen Bass selbstgewiss und gravitätisch. 1799 setzt der Briefwechsel ein. Zelter sollte Gedichte Goethes vertonen. Aus der anfänglichen Fremdheit wird im Laufe von drei Jahren eine regelrechte Freundschaft, gefestigt durch das erste Treffen im Jahr 1802. In der Korrespondenz wird nicht nur gegenseitig gelobt wird, sondern manchmal – und später dann immer mehr – erfolgen auch Geständnisse inneren Leids. Im Dezember 1804 schickt Zelter märkische Rübchen und gefrorenen Fisch nach Weimar, und Goethe antwortet erstmals mit einem privaten Bekenntnis: „Ich dachte, mich selbst zu verlieren und verliere nun einen Freund...“. Der Freund war Schiller, und ab jetzt wird der Ton der Briefe vertraulicher. Der Dichterfürst möchte seinen Sohn nach Berlin zu Zelter schicken, dessen Frau aber Ostern 1806 im Kindbett stirbt. Der Plan, Sohn August nach Berlin zu schicken, wird aufgegeben, dafür aber erzählt Zelter 1812 sehr bildhaft, dass sich sein ältester Sohn auf dem Bett neben dem schlafenden Bruder erschossen hat. Während Zelter schreibt, liegt die Leiche immer noch auf dem Bett. Der Musiker kann sich nur durch die Beichte an den „liebsten Freund“ Erleichterung verschaffen. Mit „bitterem Neid“ habe er die „schöne Leiche“ angesehen, gesteht Zelter und bittet um „ein heilendes Wort“. „Auf dem schwarzen Probierstein des Todes“ habe sich Zelter, antwortet Goethe „als ein echtes geläutertes Gold aufgestrichen“ und erzählt seine „Fischer- und Schiffergeschichte“: Dabei schildert er ausführlich die eigene Todessehnsucht nach dem ersten Werther. Die Freundschaft wandelt sich in starke Zuneigung, die man auch Liebe nennen kann. In den drei Jahrzehnten der Brieffreundschaft haben sich die beiden Männer mehr als zwei Dutzend Mal persönlich getroffen. Zelter schreibt dem großen Dichter zum letzten Mal an dessen Todestag am 22. März 1832.

Das berührende Zeugnis dieser Freundschaft wird auf der CD von Brückner als Goethe und Otto Sander als Zelter gelesen, aber Brückner allein konnte ebenso gut die Tiefe der Gefühle und manchmalige Ironie im Ton der beiden transportieren. Zu Recht erhielt er langen Beifall, verneigte sich und wandelte durch den Park von dannen. Lore Bardens

Lore Bardens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })