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Kultur: Rosen im Streckmetall-Zaun

Mauer-Recherchen: Buchpräsentation im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

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Mauer-Recherchen: Buchpräsentation im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Zuerst wollte niemand etwas von ihr wissen, jetzt sucht man mit denkmalpflegerischer Akribie nach ihren Überresten: Die Geschichte der Berliner Mauer hat wohl vorerst kein Ende. Internationales Publikum findet heute außer dem zu 80% erhaltenen, auf 100% nachträglich ergänzten Vorzeigestück in der Gedenkstätte Bernauer- und der Eastside-Gallery an der Warschauer Straße kaum vorzeigbare Teile des sogenannten „Antifaschistischen Schutzwalls“, welcher von den Autofallen bis hin zur Strahlrichtung der Bogenlampen niemanden im Unklaren ließ, wer vor wem zu „schützen“ war. Unbestritten ist inzwischen, dass SED-Chef Ulbricht seit 1953 von Chrustschow einen solchen Limes forderte, denn bis 1961 flohen etwa 2,7 Millionen Ostdeutsche in den Westen. Er log, als er das Gegenteil („keine Mauer“) behauptete. Andererseits zeigen erst kürzlich durchgeführte Befragungen, wie wenig „die Jugend“ mit dem 1989 gefallenen Monstrum verbindet. Zunehmend internationales Interesse am 1990 abgerissenen Bau einerseits, rasanter Gedächtnisschwund auf der anderen, scheinen den Berliner Senat bewogen zu haben, ein kleines Team der Cottbuser Universität zu beauftragen, nach Mauerresten und Mauerspuren zu suchen und diese in einer Studie zu dokumentieren. Axel Klausmeier und Leo Schmidt haben das zwischen 2001 und 2003 für das Landesdenkmalamt Berlin getan. Gemeinsam mit studentischen Helfern gingen sie die 42 Kilometer der innerstädtischen Grenzmarkierung zwischen Lübars im Norden und Waltersdorfer Chaussee bis zu fünfmal ab, eine gute „Schule des Sehens", wie Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Klausmeier bei einer fast unbeachteten Buchpräsentation im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte mitzuteilen wußte. Denn wo findet man noch jene Hohlblock-Betonsteine aus der „1. Generation“, die bis 1967 währte, wo die Relikte der zweiten (1967–1975), als man Beton und Stahl verwendete, und jene „Grenzmauer 75“ der dritten, deren „schöne“ Seite bis 1989 stets nach Westen zeigte? Axel Klausmeier und Leo Schmidt haben ihre „mit wissenschaftlicher Redlichkeit“ gefertigte Studie in einen „umfassenden Führer zur Berliner Mauer“ umgewandelt, gedacht für alle, die mehr interessiert als die wenigen Vorzeige-Stücke: Zwei Wachtürme und zwölf größere Stücke" stehen in der Metropole unter Denkmalschutz. „Mauerreste - Mauerspuren“, in Deutsch und Englisch verfaßt, zeigt allen Interessenten, wo es sonst noch etwas zu entdecken gibt: Pfostenlöcher zwischen Kreuzberg und Mitte am „Engelbecken“, Betonfundamente des „bestversorgtesten Bauwerks der DDR“ in der Heinestraße, den „Entensteg“ (Anlegestelle für Grenzboote) nahe der Warschauer Straße, sogar die einzige Moschee im Osten. Ein Türke baute sie nach dem Gebietsaustausch am „Zwickel“, zwar jenseits der Mauer, aber noch auf DDR-Gebiet. Eine Dokumentation der restlichen 113 Kilometer, zum Land Brandenburg hin, steht noch aus. Potsdam zeigt sich zwar hochinteressiert, aber das Autoren-Team sieht sich derzeit nicht in der Lage, eine solche Arbeit mit gleicher Genauigkeit zu tun. Das vorliegende Buch ist ja auch für die Hiesigen ein Gewinn. Neben Beschreibungen der Grenze, Zeitdokumenten und Menschen-Geschichten enthält es zahlreiche Fotos, eines darunter, das blühende Rosen an einem Streckmetallzaun zeigt. Klausmeier mag es besonders: Der von Honecker geleitete Mauerbau lief ja unter dem Decknamen „Rose“. Gerold Paul Axel Klausmeier, Leo Schmidt, „Mauerreste - Mauerspuren, Der umfassende Führer zur Berliner Mauer“ in deutscher und englischer Fassung Westkreuz Verlag.

Gerold Paul

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