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Kultur: Ruhend – fließend

Der Berliner Künstler Karl Menzen schuf für die Russische Kolonie Alexandrowka eine Stahlskulptur

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Ein verlassener steinerner Sockel an der Russischen Kolonie Alexandrowka. Gegenüber vom Dorint-Hotel. Er lädt regelrecht ein, ihn wieder mit einem Kunstwerk zu besetzen. Welchen Rang der ehemalige metallene Reiter als Denkmal (1923) für die im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten des 3. Garde-Ulanen-Regiments hatte, ist heute schwerlich zu sagen. Jedenfalls soll ihm viel Pathos angehaftet haben. 1945 musste er sich von der Öffentlichkeit verabschieden. Was mit dem Reiter geschah, ist nicht bekannt.

Der verlassene steinerne Sockel erregte die Aufmerksamkeit des Berliner Bildhauers Karl Menzen. Auch die von Michael Kramer, des Künstlerischen Leiters von Arte é Vita, einem Verein, der sich für Kunst im öffentlichen Raum einsetzt und hilft, sie umzusetzen. Mit neuer Kunst sieht es in der Kunststadt Potsdam nämlich trübe aus. Das Budget von 6000 Euro für Kunst im öffentlichen Raum ist ungenügend. Mit dieser Summe kann man nicht viel beginnen „Die Stadt ruht sich zu sehr auf die künstlerischen Geschenke der Vorväter aus“, bemerkt Michael Kramer.

Karl Menzen hatte schon 2005 ein Kunstwerk für den einstigen Reiter-Sockel zur Verfügung gestellt: „Scherung-Spaltung I“. Sie blieb dort aber nur wenige Monate. Jetzt steht es am Brandenburger Dom. Doch seit gestern Vormittag nimmt eine neue Skulptur von Karl Menzen den Platz an der Alexandrowka ein. „Ruhend – fließend“ nennt der Künstler seine Arbeit aus Stahl. Rund zehn Tonnen mussten von einem Kran bewegt werden, um die Plastik auf den Sockel zu hieven.

Menzen hat den Stahl in eine künstlerische Gestalt gezwungen. Mit zwei Schnitten auf einer Platte schuf der Künstler eine Manipulation. Sie wirkt nämlich so, als ob die Skulptur aus zwei Platten bestehe. Und doch sind sie miteinander verbunden. Ihre Wendung und Biegung wurde durch die Physik des Materials hergestellt. In einem Kaltverformungsprozess. Die angewandte Schwerkraft half, dass der Stahl homogen wurde. Auf dem Betriebsgelände der Berliner Firma Borsig benutzte man dazu ein 23 Tonnen schweres Gewicht. Für die Materialkosten und die Herstellungsarbeiten musste der Künstler in finanzielle Vorleistung gehen. Doch in der Mittelbrandenburgischen Sparkasse fanden Karl Menzen und der Verein Arte é Vita Unterstützung.

Menzens Kunst ist nicht eingängig, sie zwingt zum Nachdenken. Immer ist sie eine Aktion, ein Vorgang, auf den sie hinweist: Ruhend – fließend. Sie kann den Betrachter aus der Trägheit des Gewohnten, zur Bewegung, auch zu Empfindungen einladen. Sicher werden sich an der Skulptur die Geister und Meinungen scheiden. Aber das kennt Karl Menzen nur allzu gut.

Arte é Vita ist in diesem Jahr mit seinem alle zwei Jahre veranstalteten Künstlersymposium in Potsdam nicht vertreten. Von der Stadt gab es keinen Euro. Dafür wurde der Verein nach Mecklenburg-Vorpommern eingeladen. Rund um Barth und Zingst sind entlang des Europa-Fahrradweges Skulpturen und Installationen von 35 Künstlern zum Thema „Landschaften der Sehnsüchte“ noch bis Mitte November zu sehen.

Michael Kramer berichtete, dass der Künstler Hubertus von der Goltz, der Gewinner des ersten Potsdamer „Kunstpreises für Visionäre Bilder“ seit 2005 immer noch auf die Realisierung seiner Arbeit „Balance mit sich“ wartet. Ein Ja-Wort der Unteren Denkmalpflege für das zwischen den Türmen des Nauener Tores geplante Kunstwerk fehle noch immer. Einsprüche kamen aus statischen Gründen, die aber die Expertise einer Fachfirma nicht teile.

Doch für Menzens Skulptur an der Russischen Kolonie kam vom Denkmalpflegeamt die Genehmigung. Ein Jahr lang soll nun das Kunstwerk an dieser Stelle stehen. Der Künstler und der Verein hoffen jedoch, dass es in den Besitz der Stadt kommt und sich an diesem Standort für lange Zeit einrichten kann. So wie der Rhinozeros auf dem Luisenplatz. Sein italienischer Schöpfer, der Künstler Stefano Bombardieri, ist auf der diesjährigen Biennale in Venedig offizieller Vertreter Italiens. „Seine Potsdamer Arbeit wird nun in der Kunstszene deutlich höher bewertet als noch vor zwei Jahren“, so Michael Kramer.

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