Sie sitzt zwischen den Stühlen und hat doch festen Halt. Sabine Zahn verwebt die Ausdrucksformen des Tanzes mit den Geschichten des Theaters. Bewegungstheater nennt sie diese Mixtur. Seit Anfang des Jahres gibt sie an der fabrik einen Kurs, der die fließenden Grenzen aufspürt und doch ganz eigene Akzente setzt. „Alles geht vom Körper aus, mitunter von einer ganz einfachen Bewegung, die immer größer wird – stets den eigenen Impulsen folgend.“ Irgendwann kann sich daraus auch eine Geschichte entwickeln. Doch der Kopf bleibt erst einmal außen vor; kein Text, keine Idee wird voran gestellt. Der Körper ist seine eigene Antriebsfeder.
Jeder kann mit jedem Level in den Kurs einsteigen. Nur Neugierde und Lust an Bewegung und Spiel sollte er in dieses „Laboratorium“ menschlicher Situationsbeschreibungen einbringen.
So wie es Sabine Zahn am Anfang ihres Weges tat, als sie das Studium der Theaterwissenschaften in Leipzig schmiss und der Magie des Tanzes erlag. Dabei wies ihr durchaus die Theorie die Richtung, wie das italienische Improvisationstheater Commedia del arte. Doch vor allem waren es wohl die vielen Workshops, ob Feldenkrais oder Butoh, die sie schließlich in die Arme des Straßentheaters Grotest Maru trieben. Mit dieser freien Truppe reiste sie durch Polen und Holland, Italien und Belgien – und auch nach Potsdam verschlug es sie. Auf Stelzen konnte man Sabine Zahn zur Eröffnung des Nikloaisaals erleben: mit den anderen Komödianten still und klar, archaische Bilder entwerfend. Am Tag darauf begann für sie erneut das Studentenleben: diesmal in der Schweiz an der Scuola Teatro Dimitri, einem burlesken Bewegungstheater. Ihre dreijährige Ausbildung gipfelte in einem selbst kreierten Stück. Gemeinsam mit einer norwegischen Kommilitonin fertigte sie zwölf Masken an und begab sich in einen Dialog mit ihnen. „Die Masken gaben uns den Charakter. Zu den Masken gesellte sich eine Parkbank, und auf der nahmen immer andere Leute Platz, reale und absurde. Daraus entstanden ganz viele Geschichten, wie ein Universum.“
Nach der erfolgreichen Aufführung reiste Sabine Zahn umher, um zu schauen, wo sie nun wieder in Deutschland Fuß fassen könnte. „Es sollte ein schöner Ort sein: mit einer bezahlbaren Wohnung und mit Leuten, mit denen man Austausch haben kann.“ Hamburg fiel durch und auch Dresden, ihre Heimatstadt: „Dort kannte ich alles zu gut.“ Als sie Berlin näher unter die Lupe nahm, brachte sie ein Freund auf den Gedanken, sich auf Potsdam einzulassen. Was sie nach einem dreimonatigen Umweg über Brasilien schließlich auch tat. „Hier habe ich die Nähe zu Berlin, aber es ist nicht so unverbindlich.“ Und aus dem Hörensagen über die fabrik wurde schließlich eine große Sympathie. „Potsdam ist zwar klein, aber leistet sich eben auch so spezielle Dinge wie die fabrik und die Art in Residence.“
Ohne Gelegenheitsjobs würde die Tänzerin noch nicht über die Runden kommen. „Ich lebe bislang noch sehr auf Kante. Eigene Projekte müssen noch hinten an stehen: „Sie ziehen ja sofort Fragen nach sich, wie Finanzierung, Probenraum, Vermarktung, eigenes Auto.“
Dennoch: Sabine Zahn hat durchaus schon einige Samenkörner in die Erde gesteckt. „Nun muss ich sehen, ob sie wachsen.“ Dazu gehören neben verschiedenen Kursen auch ihre weitere sporadische Mitarbeit bei Grotest Maru. „Vorher hat mir die Zusammenarbeit zwar auch viel Spaß gemacht, aber ich merkte oft, dass mir die Technik fehlte. Ich stieß an Wissensgrenzen.“ Inzwischen ist ihre eigene Tasche gut gefüllt, aus der auch sie verteilen kann.
Und noch mehr wird dazu kommen, wenn sie ihr neunmonatiges, postgraduales Stipendium absolviert, das sie am 1. März an der brandenburgischen Akademie Streckenthin bei Pritzwalk beginnt. Der Theatermanager Tom Stromberg und Regisseur Peter Zadek bieten darin jungem Theaternachwuchs die Mitarbeit bei der Shakespeare-Tournee-Inszenierung „Was ihr wollt“ an: „Eine tolle Gelegenheit, von den Profis zu lernen“.
Sabine Zahns Bewegungstheater-Kurs in der fabrik wird dennoch weiter laufen: eigenen Geschichten und Träumen nachspüren. Und viele Stühle dürfen dabei besetzt oder verrückt werden. Heidi Jäger
Immer montags um 18 Uhr.
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