Kultur: Schicksalhafte Krankheit Leben und Leidensgeschichte Friedrichs III.
in einer Biographie von Hans-Joachim Neumann
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Wer über Kaiser Friedrich III. (1831 bis 1888) schreibt, schreibt immer auch eine „Was wäre wenn?“-Geschichte. Wie wäre die deutsche Geschichte verlaufen, wenn der von den Liberalen aufs Schild gehobene Hohenzoller nicht nach nur dreimonatiger Regierung an Kehlkopfkrebs gestorben wäre? Nein, das hätte auch nichts geändert, meinte Prof. Hans-Joachim Neumann während der Premiere seines neuen Buches „Friedrich III. Der 99-Tage-Kaiser“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Mit seiner Schlussbemerkung widersprach Neumann allerdings dem eigenen Text. Denn da steht: „Mit einem gesunden Kaiser Friedrich III. würde Europa wahrscheinlich keinen Ersten Weltkrieg kennen ...“ Der Berliner Charité-Chirurg und Historiker legte bereits die sechste Biographie über einen Preußenherrscher vor, die alle auch dadurch gekennzeichnet sind, dass sie ausführlich auf die Krankheitsgeschichte der Monarchen eingehen.
Friedrich Wilhelm war schon als Kronprinz anglophil eingestellt und hatte mit Victoria eine Prinzessin aus dem englischen Königshaus geheiratet. Seinen „gewagten Prognosen“ von einem eventuell anderen Geschichtsverlauf stellte Neumann im Dialog mit dem Kaiserzeitkenner Jürgen Luh von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten allerdings gegenüber, dass der Kronprinz seine liberalen Ideen für einen größeren Einfluss des Parlaments, eine konstutionelle Monarchie nach englischem Vorbild, nicht offensiv vertrat, sondern sich stets dem politischen Konzept seines Vaters Wilhelm I. und Bismarcks beugte.
Nach gut 100 Seiten beendet der Autor sein Kapitel „Kronprinz Friedrich Wilhelm. Sein Leben uud seine Zeit“, in dem er auch auf dessen Potsdamer Wohnstätten wie das Neue Palais, wo er geboren wurde und 56 Jahre später starb, oder das Krongut Bornstedt eingeht.
Dann folgt ein fast ebenso langes Kapitel über die „schicksalhafte Krankheit“, den 1887 (vielleicht schon 1886) ausgebrochenen Kehlkopfkrebs, der am 15. Juni 1888 zum Tode des Monarchen führte. Hans-Joachim Neumann schildert detailliert das Leiden des Hohenzollern und die medizinischen Eingriffe, was 1888 die offiziellen, in der Presse veröffentlichten ärztlichen Bulletins ebenfalls schon in gruseliger Offenheit taten. Gleichzeitig erzählt der Autor aber auch eine Kriminalgeschichte. Während führende deutsche Ärzte, darunter der Namensgeber des heutigen Potsdamer Klinikums Ernst von Bergmann, richtigerweise Krebs diagnostizierten und auf eine Operation des Kehlkopfs von außen drängten, verharmloste der hinzugezogene englische Spezialist Sir Morell Mackenzie die Erkrankung.
Später wurde versucht, das Verhalten Mackenzies politisch zu interpretieren. Hätte eine Operation mit dem sofortigen Tode Friedrichs enden können, gaben ihm die Behandlungsmethoden des Engländers eine Gnadenfrist, um doch noch den Thron zu besteigen. Was ihm nach dem Tode seines fast 91-jährigen Vaters Wilhelm I. ja dann gelang. Als treibende Kraft wird Victoria vermutet, die angeblich für ihren Gemahl die Rangerhöhung zum Kaiser erzwingen wollte, womit politischer Machtzuwachs, aber auch eine weitaus bessere finanzielle Lage verbunden waren. Diese These bleibt jedoch ebenfalls eine gewagte Spekulation. Die englische Königstochter hatte ihren stattlichen, häufig mit Siegfried oder Lohengrin verglichenen Gemahl aus Liebe geheiratet. Selbst wenn sich die Beziehung später abkühlte, Vickys Briefe aus dem Jahr 1888 drücken tiefes Mitgefühl mit ihrem leidenden „armen Fritz“ aus. An seinem Sterbetag versuchte der Kaiser noch einen Zetel zu schreiben: „Victoria, ich und die Kin ...“ Das Herrscherpaar ist im Mausoleum an der Friedenskirche bestattet. Erhart Hohenstein
Hans-Joachim Neumann, Friedrich III. Der 99-Tage-Kaiser. be.bra verlag, edition q, Berlin 2006, 288 S., 34 Abbildungen, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86124-602-2
Erhart Hohenstein
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