
© ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg
Tatort-Kritik: Schöner Schmäh
Der neue Wiener Tatort beginnt mit allem was man sich wünscht: Leidenschaft, Psychoanalyse und trashiger Medien-Schmäh. Über ein paar Klischees kommt er trotzdem nicht hinweg.
Stand:
Wachs, das auf nackte Haut tropft, bisschen Leder, bisschen Schmerz. Das ganze in einer schicken Wohnung und zu guter Musik – das könnte durchaus der Einstieg für einen guten Tatort sein. Erst recht für einen Wien, bei dem man das leicht Morbide eh erwartet. Und überhaupt sind Morde aus Leidenschaft immer noch die schönsten.
Aber irgendwie scheint es dann beim neuen Wiener Tatort „Sternschnuppen“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) erstmal, als ob das Ganze nicht so glamurös abgründig wird wie die ersten Minuten suggerieren. Man wird schon ernüchtert, weil die frische Witwe so gekünstelt cool reagiert. Sowas ist immer enttäuschend weil es – selbst in den grässlichsten, kältesten Beziehungen – nie so emotionslos zugeht im wahren Leben.
Das Opfer ist – da wird es dann auch noch medienkritisch - ein one-hit-wonder Musik-Produzent und Talentshow-Juror, der sich aus den Träumen junger Songwriter eine protzige Villa gebaut hat. Ein Geld-verseuchter Trash-König also, klar, wem auch sonst traut man Sexunfälle oder SM-Praktiken zu?
Aber wenn der Sex zu schlecht ist, hilft immer noch die gute alte Psychoanalyse. So auch hier, wenn auch nicht mehr dem Toten. Stattdessen schauen Bibi (Adele Neuhauser) und Moritz (Harald Krassnitzer) bei einem Therapeuten vorbei – eigentlich, um sich erklären zu lassen, warum manche darauf stehen, sich die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn zu drosseln. Weil das aber schnell erklärt ist, hat der Analytiker noch Zeit, erotische Spannungen zwischen den beiden abgerockten Kommissaren zu wittern. „Probierenn Sie's doch mal miteinander“, rät er ihnen. Finden die natürlich nicht so witzig, wer lässt sich schon gern ins Intimste reinreden. Aber andererseits: Wie soll zwischen diesen beiden verbockten Grantlern sonst jemals was laufen.
Und ist das – romantisch – undenkbare erst einmal gedacht, ist es in der Welt. Während Bibi noch schnaubt und tobt, dämmert das auch schon Moritz. „Grundsätzlich, prinzipiell, wär das schon eine Option gewesen.“ Das kommt natürlich überraschend, vor allem für Bibi. Erstmal versuchen sie es dann aber doch nur mit dem – Zitat Moritz - „Sex des Alters“: Essen. Ein Wiener Schnitzel ist eben auch was handfestes.
Dann war da ja noch der Fall, der erstmal gefährlich in Richtung überkandidelte Showbiz-Schmonzette wankt, dann aber glücklicherweise doch noch direkt ins abgründige schwenkt.
Das Opfer, der Musikmanager Udo Hausberger, hatte nämlich nicht nur privat spezielle Vorlieben, sondern war menschlich einfach ein Arsch. Er hat die österreichische Musikszene dominiert, junge Musiker verheizt und missbraucht – und deshalb offenkundig jede Menge Feinde.
Das ist der einzige Makel an diesem sonst hübsch gebauten Tatort: Dass am Ende doch wieder das blöde Klischee siegt: Wer sexuell spezielle Vorlieben hat, muss auch sonst gestört sein. So viel Schmarrn können sich nicht mal die Wiener leisten, wenn sie auch noch so charmant sind.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: