Von Klaus Büstrin: Schönstes Panorama der Gegend
Bernd Maethers längst fälliges Buch über Geschichte und Gegenwart des Kronguts Bornstedt
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Herr und Frau Finger fuhren durch Bornstedt. In einem offenen Landauer. Jeder sollte sehen und wissen, welch wichtige Personen im Ort wohnen. Sie fühlten sich als unumschränkte Herrscher auf dem Krongut. Natürlich waren sie es nicht. Der Besitzer auch nach der Revolution, Prinz Wilhelm von Preußen, wohnte in der Nähe, im Schloss Cecilienhof.
1945 waren die schönen Tage für die Fingers in Bornstedt gezählt. Sie machten sich gen Westen auf. Vorbei waren die beliebten Teestunden oder Theateraufführungen, zu denen die „feine“ Bornstedter Gesellschaft ins Krongut geladen wurde. Die Rote Armee besetzte zunächst Herrenhaus, Hof und Ställe. Doch bald konnten Vertriebene, die von jenseits der Oder kamen, im „Eigentum des Volkes“ eine neue Heimat finden. Die Wohnungen waren für die zumeist großen Familien beengt, die sanitären Anlagen prekär. Die neu gegründete Pädagogische Hochschule gab ihren Studenten im Herrenhaus Unterkunft, das Kreiskontor für landwirtschaftlichen Bedarf nahm für viele Jahre seine Arbeit auf. Man baute neue Lager- und Garagenhallen. Das Gutsgelände wurde verunstaltet.
Dem historisch nicht unbedeutenden und heute viel besuchten Krongut Bornstedt ist jetzt ein längst fälliges Buch gewidmet, das mit wissenschaftlichen Ansprüchen verfasst wurde und von jedem Interessenten mit Gewinn gelesen werden kann. Der Historiker Bernd Maether, der als Herausgeber für das Buch „Krongut Bornstedt – eine Bau- und Nutzungsgeschichte“ (be.bra wissenschaft verlag) fungiert, konnte für einzelne Kapitel renommierte Autoren wie Friedrich Beck, Andreas Kitschke und Clemens Alexander Wimmer gewinnen. Mit dieser bilderreichen Veröffentlichung wird nicht nur eine spannende Guts- und Kulturgeschichte trefflich abgehandelt, sie erzählt zugleich auch von der Geschichte des Dorfes Bornstedt. Ab 1939 war es aber nicht mehr ein selbständiges Dorf. Hermann Göring, Ministerpräsident von Preußen, unterzeichnete bereits vier Jahre zuvor „im Namen des Führers“ das Gesetz zur Eingemeindung von Bornstedt nach Potsdam, außerdem von Bornim, Nedlitz und Eiche.
In seiner wechselvollen Geschichte wurde das Areal in den fünfziger und sechziger Jahren auch als Rummelplatz genutzt und private Zirkusunternehmen fanden in den Wintermonaten hier ein Zuhause. Bei den Bornstedter Bauern klopften die Tierpfleger oftmals an die Tür und baten für ihre Vierbeiner um ein paar Rüben, denn auf dem ehemaligen Gutsgelände war nichts zu holen. Mit der Zeit wurden die Gebäude immer maroder. Sie mussten mit der Uninteressiertheit der staatlichen Stellen leben. Vom Krongut als Areal sprach zu DDR-Zeiten wohl kaum jemand, sondern nur noch vom Kreiskontor. Erst in den neunziger Jahren kam wieder Leben in das Gelände, wurde es wieder zum Krongut.
Die Familien von der Gröben und von Ribbeck waren als Gutsherren im Landbuch Kaiser Karls IV. 1375 in Bornstedt benannt. Magdalena von der Gröben verkaufte 1664 das Dorf mit dem Rittergut an Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Der Große Kurfürst wollte es in einen Verschönerungsplan einbeziehen: „Das gantze Eyland muß ein Paradies werden.“ Aber davon konnte Bornstedt kaum profitieren. Der Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I., nahm das Gelände Anfang des 18. Jahrhunderts für die Versorgung des Militärwaisenhauses in Anspruch. So blieb es bis ins 19. Jahrhundert. Erst König Friedrich Wilhelm IV. hat den Traum seines Vorfahren aus dem 17. Jahrhundert auch in Bornstedt Wirklichkeit werden lassen. Mit der Verschmelzung von Architektur und Landschaft wollte er aus der Umgebung von Potsdam und Berlin einen großen Garten machen. Die Schlossbauten und Villen, eingebettet in gärtnerische Anlagen, sind geprägt von Antike und italienischer Renaissance. Die Architekten Ludwig Persius und Johann Heinrich Haeberlin sowie der Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné waren auch für die Verschönerung Bornstedts und des Kronguts zuständig. „Ein gefälliges, die Landschaft verschönerndes Äusseres“ sollte dem Krongut gegeben werden. Besonders von der gegenüberliegenden Seite des angrenzenden Sees oder vom Ruinenberg aus erfreut man sich an der malerischen Gebäudegruppe mit ihrem italienisierenden Einfluss als „schönstes Panorama der Gegend“.
Natürlich finden auch die Bornstedter Kirche und sein berühmter historischer Friedhof durch Andreas Kitschkes Beitrag eine umfassende architektonische und historische Würdigung. Clemens Alexander Wimmer liefert einen Text, der eine große Fundgrube für gartenhistorisch Interessierte sein könnte.
Bernd Maether erzählt auch über die Zeit Bornstedts, als der Sohn Kaiser Wilhelms I., Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine Frau, die englische Prinzessin Victoria, im Krongut wohnten. In einem Bericht von 1900 heißt es, dass „die Kronprinzessin so überaus gern und mit vorzüglichem ökonomischem Verständnis als Gutsherrin waltete, er selber die Pflichten des Schul- und Kirchenpatrons sogar bis zu gelegentlicher Vertretung des Lehrers im Unterricht der Ortsjugend erfüllte“. Die Kronprinzessin Victoria schrieb in einem Brief an ihre Mutter, die Queen Victoria von Großbritannien: „Das Landleben gibt tausend Möglichkeiten für einen natürlichen Verkehr mit den Bewohnern der Weiler und Dörfer, den die Stadtbewohner natürlich entbehren müssen. Die Kinder interessieren sich für unsere kleine Schule; je unabhängiger wir werden, desto eher können wir dafür sorgen, dass unseren Kindern alles zuteil wird, was gesund, natürlich und gut für ihr Wesen und ihren Charakter ist.“ Die Zeit Friedrich Wilhelms, der nach dem Tod seines Vaters als Kaiser Friedrich III. 99 Tage regierte, und Victorias war wohl für das Krongut die glanzvollste in seiner Geschichte, weil seine freundliche Ausstrahlung auch die Dorfbewohner erreichte, besonders auf sozialem Gebiet. Die offiziellen Trauerfeierlichkeiten für ihren Mann, der am 15. Juni 1888 starb, in der Friedenskirche mied Victoria. In der Bornstedter Kirche gegenüber ihres geliebten Kronguts versuchte sie zur selben Stunde Trost in einem privaten Gottesdienst zu finden. Ab 1903 sollte in Bornstedt dann noch einmal für sieben Jahre hochherrschaftliches Leben einziehen: Kaiserin Auguste Victorias Schwester, Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, residierte im Herrenhaus. Sie widmete sich hier ausschließlich ihren künstlerischen Neigungen, der Malerei und dem Schriftstellern, wobei man in ihrer Lyrik und in den Erzählungen Beachtliches findet.
Ab 1931 mietete der Schriftsteller Eugen Diesel, Sohn des bekannten Ingenieurs Rudolf Diesel, die Feodora-Wohnung. „Es sind 9 Zimmer und ein grosses Mädchenzimmer, zwei reizende Dielen, hübsche Treppen, große Küche mit herrlichen Speisekammern, großer Boden mit Nebengelass und Keller. Alles in gutem Zustand“, bemerkte Diesel, der vor allem als Autor kulturphilosophischer Bücher bekannt wurde.
Für Jahrzehnte sollte das Krongut Bornstedt regelrecht verkümmern. Erst als es 1998 in Privateigentum überging und man ein Jahr später begann, Gebäude und Garten zu rekonstruieren, hatte es eine Zukunft. Das Areal wurde mit der Eröffnung im Jahre 2002 einer neuen Nutzung mit wechselndem Erfolg zugeführt. Gaststätten und Betriebe, die sich dem traditionellen Handwerk verpflichtet fühlen, bestimmen von nun das Leben auf dem einstigen Gutsgelände und ziehen vor allem Touristen an. Seit 2008 heißt der neue Besitzer Josef Laggner.
Bernd Maether bemerkt im Nachwort: „Die Zeit war gekommen, Bornstedt, diesen geschichtsträchtigen, romantischen Ort, einer näheren Betrachtung zu unterziehen.“ Ihm und seinen Mitstreitern ist sie mit dieser Veröffentlichung, der natürlich eine vorzügliche Recherchearbeit vorausging, bestens gelungen.
Bernd Maether (Hrsg.), Krongut Bornstedt, be.bra wissenschaft verlag, 24,95 Euro
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