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Kultur: Schuld hat nur „die Goebbels“

Spekulatives zur 4. Filmnacht im Filmmuseum

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Spekulatives zur 4. Filmnacht im Filmmuseum Von Matthias Hassenpflug Es hätte eine triumphale Nacht für das Filmmuseum, für das Geburtstagskind, den 70jährigen Kameramann und Regisseur Roland Gräf und damit auch für den DEFA-Film werden können. Lasteten die drei Filmnächte zuvor den Marstall jeweils nur zur Hälfte aus, fragte man sich am Freitag, warum gerade zur Aufführung von Gräfs „Fallada – Letztes Kapitel" von 1988 der Andrang so groß war, dass noch nicht einmal die herbeigeschafften zusätzlichen Stühle ausreichten. Wenn Bärbel Dalichow, die davon selbst überraschte Leiterin des Filmmuseums, Recht mit ihrer Vermutung gehabt hätte, dass „Magda Goebbels" für den Ansturm mitverantwortlich sei, dann waren unter den Gästen sicher auch viele Enttäuschte. Denn Corinna Harfouch, von Roland Gräf in seiner Verfilmung der letzten zehn Jahre des unglücklichen Schriftstellers Fallada als Morphinistin Uschi besetzt, und aktuell als Frau Goebbels im Bunkerdrama „Der Untergang" im Kino, erschien nicht zu dem angekündigten Gespräch mit dem DEFA-Altmeister und der Schauspielerin Jutta Wachowiak. In die Hintergründe war der Moderator Knut Elstermann offensichtlich nicht weiter eingeweiht, spekulierte er doch über ein verspätetes Eintreffen. Die Enttäuschung, die durch die Abwesenheit von Corinna Harfouch ausgelöst wurde, veränderte die Sicht auf den so verheißungsvoll begonnenen Abend. Abgesehen davon, dass ein Aufpreis von 2,50 Euro, der allein für den Besuch des Filmgesprächs anfiel, mit noch weniger Verständnis rechnen konnte, schienen in der Rückschau die Gläser mit Wein, die in der Pause angeboten wurden (2 Euro), auf beinahe unhöfliche Weise eher leer denn voll zu sein. Die eigentlich als Aufmerksamkeit dargebotenen Speisen wurden so auf einmal zu trockenen Seifenkäsewürfeln, vergeblich mit Grünzeug drapierten Brotchips und staubigem Weißbrot. Zyniker vermuteten, hier hätte das Sozialprojekt der „Potsdamer Tafel" das Catering übernommen, Cineasten wiesen auf ein möglicherweise vom Veranstalter geschickt plaziertes Filmzitat aus Margarethe von Trottas „Rosenstraße" hin. Im Krieg gab“s ja auch nichts zu Futtern. Die Wahl dieses ersten Films der Filmnacht war wiederum auch nicht unbedingt ein Geburtstagspräsent für Gräf. Mit seinem Schaffen verbindet das Drama, in der Katja Riemann um ihren jüdischen Mann und Maria Schrader um Aufklärung der Familiengeschichte kämpfen, einzig die Ausnahmeschauspielerin Jutta Wachowiak, die in dem 2003 auf die Leinwand gekommenen Film nur eine kleine Nebenrolle spielt. „Das allerdings hervorragend", wie Bärbel Dalichow die Wahl begründet. Und sprach nicht auch aus Roland Gräfs ziemlich expliziten Aussagen über „Den Untergang" eine gewisse Enttäuschung über Harfouchs Fehlen? Die Verfilmung der letzten Tage im Führerbunker brächten für ihn „keinerlei Erkenntnisgewinn“, es wäre „absolut anmaßend, so einen Film zu machen“, weil etwas vorgespielt würde, was niemand wissen könne. An „Fallada“, sagte der für seinen radikalen Realismus gerühmte Gräf, sei dagegen nichts Fiktives. Er gab allerdings zu, den „Untergang“ gar nicht gesehen zu haben. Ähnlich ließ sich sein Kommentar über eine gerade eröffnete Ausstellung im Berliner Filmmuseum interpretieren. Gräf ironisierte, der Gipfelpunkt heutiger Schauspielkunst wäre demnach die Rolle der Kommissarin im Fernsehen. Corinna Harfouch hat zur Zeit in SAT1 Erfolg als Kommissarin Eva Blond. Mit dem letzten Film der Nacht wurde übrigens ein Wunsch der Harfouch erfüllt: „Sexy Sadie" (Regie: Matthias Glaser), in dem sie an der Seite von Jürgen Vogel spielt.

Matthias Hassenpflug

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