
© Andreas Klaer
Von Dirk Becker: Sechs Anfragen, drei Antworten
Die AG Gegenwartskunst hat die Oberbürgermeisterkandidaten zur Bildenden Kunst befragt
Stand:
Die Selbstkritik setzte schon sehr früh ein. Im Grunde nach dem ersten Lesen der Antworten. An sechs von den sieben Potsdamer Oberbürgermeisterkandidaten hatte die Arbeitsgemeinschaft Gegenwartskunst Mitte August ihren Fragebogen verschickt. Marek Thutewohl von der Piratenpartei war zu diesem Zeitpunkt noch nicht nominiert worden, an ihm ging dieser Kelch vorüber. Doch die anderen sechs, also Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) und seine Herausforderer Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke), Benjamin Bauer (Die Andere), Marcel Yon (FDP), Barbara Richstein (CDU) und Marie Luise von Halem (Bündnisgrüne) hatten genug Zeit, sich zu den zehn Fragen zur Bildenden Kunst in Potsdam zu äußern. Doch nur drei haben es getan. Und deren Antworten sind, so Silke Albrecht von der AG Gegenwartskunst, erstaunlich homogen.
„Vielleicht liegt es daran, dass wir zu viel Spielraum durch unsere offene Fragestellung gelassen haben“, sagte Silke Albrecht selbstkritisch. Aber selbst wenn diese zehn Fragen klarer und schärfer formuliert worden wären, hätte sie ernsthaft erwartet, dass ausgerechnet Politiker und dann auch noch ausgerechnet im Oberbürgermeisterwahlkampf ehrliche und damit verbunden wohl auch schmerzhafte Antworten gegeben hätten?
Silke Albrechts Antwort ist ein diplomatisch freundliches Lächeln.
„Wir wissen ja, dass die Bildende Kunst in Potsdam nicht das Topthema auf der Agenda ist“, sagt sie. Doch nach zwei Arbeitssitzungen zum aktuellen Sachstand der Gegenwartskunst in dieser Stadt im Frühjahr diesen Jahres und der Verkündung der Ergebnisse im Kulturausschuss waren die Mitglieder der im August 2007 gegründeten Arbeitsgemeinschaft mehr als frustriert. „Das Desinteresse, das uns dort entgegengebracht wurde, war schon sehr ernüchternd“, so Silke Albrecht. Daraufhin haben sie sich zusammengesetzt und den Fragebogen für die OB-Kandidaten entworfen, um wenigstens von dieser Seite Einschätzungen und auch substantielle Antworten zu erhalten. Doch was von Jann Jakobs, Hans-Jürgen Scharfenberg und Marie Luise von Halem als Antwortschreiben zurückkam, war nur ein vorsichtiges Kratzen an der Oberfläche.
Gefragt hatte die Arbeitsgemeinschaft unter anderem nach dem Ausbau der Gegenwartskunst in Potsdam und nach Möglichkeiten für alternative Standorte in der Innenstadt, wenn das Luisenforum für den dort ansässigen Brandenburgischen Kunstverein Potsdam e.V. und die Produzentengalerie M im Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Brandenburg e.V. auf absehbare Zeit zu teuer werden sollte. Aber auch nach der Umsetzung der kulturpolitischen Konzepte wurde gefragt, die einen mittelfristigen Handlungsrahmen für die kulturelle Entwicklung in der Stadt von 2008 bis 2012 darstellen, und nach Möglichkeiten für Förderungen und alternative Finanzierungsmodelle.
Wer die zehn Fragen liest, die fast schon kleingedruckt auf einem A4-Blatt zusammengefasst stehen, versteht schnell Silke Albrechts Selbstkritik hinsichtlich der oft offenen Formulierungen. Hier hätte man sich etwas mehr Schärfe und Zuspitzung gewünscht, denn solche weich formulierten Fragen laden förmlich zu weich formulierten Antworten ein.
So antwortet Marie Luise von Halem auf die Frage, welche Hoffnungen und Erwartungen sie mit dem Ausbau der Gegenwartskunst in Potsdam verbinde, dass es wichtig sei, „die Moderne des 20. Jahrhunderts sowie die Gegenwartskunst stärker auszubauen. Künstlerische Reflektion wird gebraucht, sie hilft, schöpferische Kräfte zu entwickeln, die in alle Lebensbereiche hineinwirken“. Am Ende erklärt Marie Luise von Halem, dass sie diese Entwicklung gerne besser als bisher unterstützen möchte. Wie, das verrät sie nicht.
Konkreter werden die Kandidaten bei der Frage nach dem Erhalt des Luisenforums als Standort für Bildende Kunst in der Innenstadt. Marie Luise von Halem bekennt, dass schon immer klar war, dass diese Räume nur vorübergehend zur Verfügung standen und nun neue gefunden werden müssen. Jann Jakobs holt zum Rundumschlag aus und benennt die Schiffbauergasse und auch das Potsdam-Museum am neuen Standort im Alten Rathaus als Ort für Gegenwartskunst. Er betont, dass es daneben weitere Entwicklungen von Bildender Kunst in der Innenstadt gäbe. Nur vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen können Standortfragen wie das Luisenforum diskutiert werden, so Jakobs. Hans-Jürgen Scharfenberg fordert dagegen eine klare Lösung, die gleichzeitig Bekenntnis zum Standort ist. „Für das Luisenforum muss eine tragfähige Lösung gefunden werden, die auch Perspektive hat“, so Scharfenberg. Und an dieser Diskussion müssen seiner Meinung nach alle Außenstehenden beteiligt sein.
Wie so oft in solchen Fällen, empfiehlt sich auch bei den drei Antwortschreiben von Jakobs, Scharfenberg und Marie Luise von Halem das mehrmalige Lesen. Denn ganz so homogen sind die Antworten dann auch wieder nicht. Und weil man bei Politikern auch immer zwischen den Zeilen lesen muss, lassen sich hier, wenn schon nicht klare Antworten, dann doch wenigstens Tendenzen erkennen. Und bei aller Selbstkritik, die sich die Arbeitsgemeinschaft Gegenwartskunst hinsichtlich ihrer Fragestellung auch macht. Mit diesen drei Antwortschreiben haben sie etwas erhalten, mit dem sie, wenn einer der drei Kandidaten ins hohe Amt gewählt werden sollte, deren spätere Politik vergleichen und auch daran messen.
Dirk Becker
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