Kultur: Sechsstimmiger Museums-Kanon
Eine Ausstellung im Stern-Center zum Appetit machen: „Museen haben Freunde“
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Dieser Marktkarren wäre sicher auch für einige der vollbepackten Besucher des Stern-Centers eine Erlösung. Um die Jahrhundertwende spannten sich kräftige Männer vor dieses Gefährt, luden die Koffer der Potsdam-Touristen auf und flugs ging es per pedes vom Bahnhof über die Lange Brücke zum Hotel. Nun steht dieses Gespann „herrenlos“ in der Einkaufspassage und erzählt Geschichte.
Man kann vielen Geschichten lauschen, wenn man sich in die Ausstellung „Museen haben Freunde“ vertieft – auch wenn sie nur ein „Anreißer“ sind. Bis Samstag gastieren sechs Museen der Stadt auf diesem neuzeitlichen Marktplatz: um Aufmerksamkeit buhlend.
Zu den bunten Lockvögeln gehört auch die Mandarinente, die das Naturkundemuseum zum Streicheln zwischen den Schaufensterscheiben aufgestellt hat. Ihren Namen erhielt die schöne Gefiederte nach der bunten Tracht chinesischer Staatsbeamter. Zur Hochzeit schenkte man Brautpaaren diese anhänglichen Enten als Symbol der Treue. Innerhalb der biologischen Invasion kamen die Prachtvögel auch nach Europa und inzwischen gibt es im Potsdamer Raum den größten wild lebenden Bestand Deutschlands. Noch geht keine Gefahr von ihnen aus, doch die seit Kolumbus betriebene Globalisierung verändert Ökosysteme, ruft Krankheiten wie Vogelgrippe oder Malaria auf den Plan. Die ahnungslose, ausgestopfte Ente ist natürlich nur ein kleiner Fingerzeig. In der großen Ausstellung „In der Spur des Menschen“ in der Breiten Straße kann man mehr über den gefahrenträchtigen Handel und Wandel erfahren.
Noch viel farbenprächtiger geht es in der „Abteilung“ Filmmuseum zu. Roter Samt, goldene Schärpen, ein silberglänzendes Paillettenkleid oder das von Rolf Hoppe einst getragene Königsgewand im Aschenputtel stimmen ein in die Welt von Glitzer und Glamour. Auf einem riesigen Bett mit Baldachin kann man fläzen und sich märchenhaft bei „Drei Haselnüsse für Aschenputtel“, „Der Kleine Muck“ oder beim „Schneewittchen“ entspannen. Täglich zwischen 17 und 18 Uhr können die Kinder sich auch selbst als Prinz, Prinzessin oder böser Wolf verkleiden und ein Foto mit nach Hause nehmen. Vielleicht bekommen sie Appetit auf mehr und besuchen auch die „Märchenland Babelsberg“-Ausstellung im Filmmuseum.
Ein Bett gibt es auch in der „Koje“ des Jagdschlosses Stern. Doch ein viel, viel kleineres, obwohl der Benutzer zweieinhalb Zentner wog. Friedrich Wilhelm I. konnte wegen Atemnot im Alter nur noch im Sitzen schlafen und begnügte sich als Liebhaber der holländischen Schlichtheit also gleich mit weniger Platz. Den Nachbau seines Bettes für die „Museumsmeile“ übernahm das Stern-Center – ebenso wie alle anderen, liebevoll ausgeführten Drapierungen. Das ehrenamtlich betreute kleine Schloss hofft, dass es bald alle Erinnerungen an den die Jagd so liebenden König auch vor Ort erzählen kann – am besten ab 2007 zum 275. Jubiläum des Schlosses. Doch bis dahin gilt es noch alle Fragen um dessen vergiftete Holzteile auszuräumen. Auch das Boumann-Haus stimmt in dem erstmalig angestimmten Museums-Kanon ein – entsprechend seiner geringeren Kraft etwas kleinlauter.
Da das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte über keine eigene Sammlung verfügt, lässt es Filme für sich sprechen. Sie machen auf die Dauerausstellung „Land und Leute“, eine Erlebnisreise durch 900 Jahre Landesgeschichte, neugierig. Dem Kuriosum „Henry Berger – Vater der hawaiianischen Musik“ ist ein extra Streifen gewidmet. Er erzählt, wie der Preuße das Lied „Heil dir im Siegerkranz“ zur Nationalhymne von Hawaii werden ließ.
Im „Potsdam-Museum“ versinkt man erst einmal in einem gut gepolsterten neobarocken Stuhl, und kann seinen Blick von der preußischen Einkaufsmeile auf das 1. Garderegiment mit Pickelhauben anno 1890 schweifen lassen. In Miniatur und ganz aus Zinn marschieren die Soldaten preußisch exakt im Stechschritt auf. Das Potsdam-Museum könnte ein riesiges Geschichtsbuch aufblättern – wenn man es denn ließe. Noch immer fehlt es an einer Dauerausstellung. Der jetzige Standort Benkertstraße 3 erweist sich allein durch seine Raumhöhe als schwierig. Größere Exponate aus dem 18. Jahrhundert – der eigentlichen Blütezeit der Stadt – können dort nicht gezeigt werden. Schon bei einem drei Meter hohen Gemälde würde man scheitern. Deshalb brachte der Förderverein neue Orte ins Gespräch: das Alte Rathaus, die Große Stadtschule und das Brocksche Palais. Doch bis zur Entscheidung sollte man mit dem Besuch des Potsdam-Museums nicht warten. Die vier Polsterstühle im Stern-Center sind nur zum Probesitzen. Die anderen fünf aus der Familie warten in der Benkertstraße auch jetzt auf möglichst viele Besucher. Und nicht nur sie.
„Museen haben Freunde“ im Stern-Center, zu sehen bis 2. September.
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