Kultur: Sehvergnügen
„Die Potsdamer Vorstädte 1861-1900“ von Ulrike Bröcker in einem umfangreichen Buch erschienen
Stand:
„Die Potsdamer Vorstädte 1861-1900“ von Ulrike Bröcker in einem umfangreichen Buch erschienen Von Klaus Büstrin Barockes und Klassizistisches in der Architektur findet man vorrangig in Potsdams Zentrum, gemischt mit Bauten des einstigen real-existierenden Sozialismus. Auch die Vorstädte – mehr oder weniger – müssen mit den Plattenbauten aus den sechziger bis achtziger Jahren leben. Aber ansonsten findet man die Vorstädte weitgehend noch in ihrer originalen Bausubstanz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Villen oder mehrgschossigen Mietshäusern. In der Wernerschen Verlagsgesellschaft Worms ist dieser Tage das Buch „Die Potsdamer Vorstädte 1861-1900“ mit dem Untertitel „Von der Turmvilla zum Mietwohnhaus“ erschienen. Geschrieben wurde es von Ulrike Bröcker innerhalb einer Reihe, die sich mit Forschungen und Beiträgen zur Denkmalpflege im Land Brandenburg befasst. Dem Buch ist bereits nach den ersten Seiten anzumerken, dass es sich um eine rein wissenschaftliche Arbeit handelt. Sie ist Teil einer Promotion, die die Autorin an der Freien Universität Berlin verteidigte. Man spürt, dass diese Edition sich nicht an die große Öffentlichkeit wenden will, schon gar nicht an Touristen. Denkmalpfleger, Architekten, Historiker, auch Hausherren und Bewohner, Freunde Potsdams werden das wertvolle Buch gern in die Hand nehmen und damit „arbeiten“. Der Band „soll noch viele Freunde gewinnen für das ,andere“ Potsdam, für die so wichtigen Vorstädte, die als grünes Bindeglied fungieren zwischen der Innenstadt und den Parkanlagen“, schreibt in seinem Vorwort Herausgeber Landeskonservator Prof. Detlef Karg. Eines trockenen, schnörkellosen Stils befleißigt sich Ulrike Bröcker weitgehend. Dabei hätte man sich hin und wieder ein paar fließendere Übergänge, manchmal klarere Formulierungen und weniger Akademisches gewünscht, insgesamt mehr Leserfreundliches. Abgesehen davon, dass der Potsdamer Strauss-Verlag den anerkennenswerten Versuch unternahm, einzelne Villen der ehemaligen Residenzstadt in prachtvollen Bildbänden unter die Lupe zu nehmen, ist Ulrike Bröckers tiefgründige Arbeit die erste, die sich mit den Villenbauten der Potsdamer Vorstädte innerhalb von vierzig Jahren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Die Wissenschaftlerin hat – sie fand für ihre Arbeit beim Potsdamer Denkmalamt offene Ohren – die fünf Vorstädte untersucht: Die Berliner, die Nauener und die Jägervorstadt sowie die Brandenburger und Teltower Vorstadt. Die ersten drei Genannten standen jedoch im Mittelpunkt. Ulrike Bröcker macht deutlich, dass Potsdamer Vorstädte in der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms IV. vermehrt entstanden. Adlige und Militärs bauten repräsentative Häuser vor allem in der Nähe der königlichen Parkanlagen. Der Monarch unterstützte die private Bautätigkeit durch finanzielle Förderung. Die königliche Baukasse zahlte „allen Baulustigen“ einen Beitrag zu den Kosten. Natürlich legte er besonderen Wert auf italienisierende Gebäude, vornehmlich Turmvillen. Wilhelms I. Liebe zur Architektur hielt sich dann in Grenzen, außer wenn es um Industriebauten und um das Eisenbahnwesen ging. Wilhelm II. hatte dagegen, schon aus repräsentativen Gründen, große Ambitionen in puncto künstlerischer Gestaltung. Die Turmvilla oder Häuser, die aus einem traufständigem Trakt entstanden sind, also im Nachklang von Schinkel und Persius stehen, prägte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bautätigkeit in den Vorstädten, so in der Großen Weinmeisterstraße, Puschkinallee, Hebbelstraße, Beyerstraße oder in der Weinbergstraße. Dass nicht nur regionale Vorbilder zu begutachten sind, auch darauf macht die Autorin aufmerksam: Neugotisches findet man, auch englische Landhausarchitektur und Beispiele der Hannoverschen Architekturschule. Mit dem interessanten Kapitel über Potsdamer Maurermeister und Baumeister jener Zeit wartet Ulrike Bröcker ebenfalls auf, ein Thema, das bislang unerforscht ist. Maurermeister, die in der Residenzstadt zugleich auch mit Bauentwürfen aufwarteten, waren u.a. Friedrich August Hasenheyer, Albert Lüdicke, Carl Partik, Emil Lilie und Ernst Petzholtz. Sie wurden vor allem von Privatleuten beschäftigt. Jedoch: „nur wenige Maurermeister haben eine Architektursprache entwickelt, die als individuell bezeichnet werden kann. Zu diesen Ausnahmen zählen der Maurermeister Albert Lüdicke und insbesondere der Hofbau- und Hofmaurermeister Ernst Petzholtz“, schreibt Ulrike Bröcker. Petzholtz wurde auch ein eigenes Kapitel in dem Buch gewidmet. Umfangreich ist die Illustrierung. Historische und heutige Fotos von den Bauten, Entwürfe, Grundrisse, Bauantragszeichnungen und Radierungen machen diesen wichtigen Band zu einem Sehvergnügen. Ulrike Bröcker, Die Potsdamer Vorstädte 1861-1900, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 59 Euro; Buchpremiere am morgigen Freitag, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung „Internationales Buch“, Friedrich-Ebert-Straße/Ecke Brandenburger Straße.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: