Kultur: Sich in Geduld üben
Friederike Walke spielt morgen in „Krankheit der Jugend“ ihre zweite Rolle am Hans Otto Theater
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Sie kommt ganz frisch von der Schule und erzählt munter und unbefangen von ihren ersten Theatererfahrungen. Dass es Friederike Walke nach ihrem Schauspielstudium ausgerechnet nach Potsdam verschlug, berührt sie sehr. Hier stand schon ihr Vater, Michael Walke, auf der Bühne. Und der 22-Jährigen wird „ganz heimelig ums Herz“, wenn sich Kollegen noch an ihren „Papi“ erinnern, der so früh verstarb. „Ich war damals erst 14 Jahre und sein Tod hat unsere Familie in ein tiefes Loch gestürzt.“ Doch zugleich hat es sie und ihre Schwester Marie darin bestärkt, in die künstlerischen Fußstapfen des Vaters zu treten. Zwar begannen die beiden unzertrennlichen, eineiigen Zwillinge anfangs eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation – „denn für ein Schauspielstudium ist ein Abitur nicht unbedingt erforderlich“. Doch schon nach einem Jahr wussten die zwei, dass sie diese trockene Wegstrecke schnellstens wieder verlassen müssen. Obwohl gerade erst 17 Jahre alt, sprachen sie an der renommierten Ernst-Busch-Hochschule vor. Und nach dem vierten Anlauf hatten sie die Zulassung in der Tasche. „Wir sind vor Freude im Dreieck gesprungen und auch meine Mutter war überglücklich, dass wir es alle beide geschafft hatten. Damit erfüllten wir uns einen Kindheitstraum.“
Wie üblich für Schauspielabsolventen folgte auf“s Diplom das aufregende Intendanten-Vorspiel. Friederike stand vor der Wahl, einen Zwei-Jahres-Vertrag in Erlangen anzunehmen oder ans Potsdamer Hans Otto Theater zu gehen. Hier hat sie zwar vorerst „nur“ ein Angebot für vier Stücke und für eine Spielzeit, „aber ich war sofort Feuer und Flamme. Erstmal ist es gleich um die Ecke von Berlin. Aber ich wollte es auch wegen Papa. Es war eine Bauchentscheidung.“
Ihre erste Rolle hat Friederike inzwischen erfolgreich gestemmt. Als Schwester der „Jüdin von Toledo“ wurde ihr von der Kritik ein „herausragendes Spiel“ attestiert, obwohl die Inszenierung insgesamt eher mit negativen Einschätzungen bedacht wurde. „So etwas muss man erst mal verdauen. Aber ich werde noch viele Kritiken lesen, sie runterschlucken und weitermachen! Geschmäcker sind nun mal verschieden.“ So wie die junge Frau ohne Umschweife drauflos plaudert, kann sie auch nachdenklich in sich verharren – den Kopf in die Hände gestützt und die wilden lange Haare, die an Cranachs Frauenbildnisse erinnern, streng nach hinten verwiesen. „Ja, wie waren meine ersten Theatererfahrungen?“, überlegt sie. „Ich habe gelernt, etwas geduldiger zu werden. Man sollte sich nicht so hetzen. Manchmal platzt der Knoten erst kurz vor der Premiere. Darauf muss ich noch besser vertrauen. Aber meine erste Arbeit war auch ein richtiger Klopper, vor allem durch die Sprache Grillparzers.“ Friederike untersucht ihre Figuren, tastet sich allmählich heran. Während sie bei Grillparzer die weise, beschützende Esther spielte, ist sie nun in Ferdinand Bruckners Schauspiel „Krankheit der Jugend“, die am morgigen Sonntag Premiere hat, eine naive junge Frau. „Lucy ist Zimmermädchen und kommt aus einfachen Verhältnissen. Sie ist verliebt und lässt alles mit sich machen. Ihr Freund Freder, ein kühl kalkulierender Medizinstudent, der es mag, Experimente mit Menschen anzustellen, ist ihr intellektuell überlegen. Und sie ist sein Spielball. Doch sie klebt an seinen Lippen, geht sogar für ihn auf den Strich. Doch sie leidet nicht darunter.“ Anders als die Clique der Medizinstudenten, die sich in Melancholie und Selbstmordgedanken ergeht, sei Lucy der eher praktische Typ.
Friederike Walke empfindet dieses 1926 uraufgeführte Stück durchaus sehr aktuell. „Auch heute fragen sich junge Leute, wofür sie überhaupt leben. Viele hängen in der Luft, bekommen keine Arbeit und schreiben eine Bewerbung nach der anderen. Kein Wunder, wenn sie ständig Party feiern, weil sie für einen Job keiner will.“ Ob die Kopffrau Esther oder die Bauchfrau Lucy – „am Ende der Proben liegen mir die Rollen gleichermaßen am Herzen“. Und sie freut sich auch schon auf die nächsten: in „Faust“ und „Filumena“.
Im Moment hat die gebürtige Magdeburgerin kaum Zeit für andere Dinge als das Theater, „auch in der Freizeit habe ich immer meine Rollen und Proben im Hinterkopf. An Weggehen ist erst mal nicht zu denken.“ Inzwischen hat sie sich in Potsdam eine Wohnung genommen und lernt, auf eigenen Beinen zu stehen. „Es ist das erste Mal, dass ich von meiner Schwester getrennt bin, die in Göttingen engagiert ist. Zum Glück habe ich wenig Zeit zum Nachdenken, aber in stillen Momenten vermisse ich sie schon.“
Morgen zur Premiere können sich die Schwestern wieder in die Arme nehmen. Und auch ihre Mutter wird im Parkett sitzen und die Daumen drücken.
Premiere: Sonntag, 19 Uhr, Reithalle A.
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