
© HOT/HL Böhme
Von Heidi Jäger: Sich nicht einschüchtern lassen
Premiere des Jugendstücks „Frank (und frei)“
Stand:
Es geht um Pubertät, die erste Liebe, Cybermobbing, Meinungsfreiheit. Und um die Behauptung von Schülern, dass Lehrer ihre natürlichen Feinde sind. Themen also, die Jugendliche in Potsdam genauso interessieren dürften wie im fernen Kanada, wo der Autor Brian Drader das Stück „Frank (und frei)“ geschrieben hat. Nachdem es in Magdeburg seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte, wird es ab kommenden Freitag auch am Hans Otto Theater für Zuschauer ab 13 Jahren zu sehen sein. Allerdings in neuer Besetzung. Die Schauspieler mussten sich ihre Rollen in der Inszenierung von Nina Mattenklotz in nur drei Tagen „einverleiben“.
Im Mittelpunkt steht der etwas chaotische Frank, der sich für alles interessiert. Insbesondere für Emma. So arbeitet er auch bei der Schülerzeitung mit, deren Chefin sie ist. Doch er macht einen verhängnisvollen Fehler und versäumt es, einen anonymen Schülerbrief, in dem ein Lehrer denunziert wird, vor der Drucklegung aus der Zeitung zu nehmen. Dadurch gerät ausgerechnet Emma in die Kritik der Schulleitung. „Die Direktorin greift Emmas Souveränität an und sogar die Unabhängigkeit der Schülerzeitung. Die Situation schaukelt sich durch unbedachte Worte immer weiter hoch“, erzählt Dramaturgin Nadja Hess, die das Stück begleitet und selbst einmal an einer Schülerzeitung gearbeitet hat.
Damals lebte sie noch in Schleswig-Holstein und ahnte nicht, dass sie eines Tages an einem Theater landen und über den Spielplan auch für junge Leute mitentscheiden würde. Inzwischen steckt sie in ihrer zehnten Spielzeit.
Vor allem über die Literatur bahnte sich Nadja Hess ihren Weg ans Theater. Nach ihrer Buchhändlerlehre kam sie einen Monat vor der Wende nach Berlin, um an der Freien Universität Slawistik, Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren. Sie fing in Russisch und Polnisch bei Null an und gehörte doch zu den wenigen ihres Studienjahres, die sich bis zum Ende durchgebissen und einen Abschluss geschafft haben.
Das Interesse der Hamburgerin für Russland schürten Autoren wie Simone Beauvoir oder Camus und Sartre. „Sie hatten ihre linken Ideale, stritten aber darüber, wie man das, was in der Sowjetunion passierte, betrachten sollte.“ Nadja Hess las mit Spannung auch Gulag-Literatur und das Thema Russland wurde immer größer für sie, vor allem, als die „Gorbi-Welle“ herüberschwappte.
Insbesondere ihr Auslandssemester in Petersburg untermauerte ihre Sympathie für den Osten. Und so arbeitete sie nach dem Studium in Moskau, um Lesungen und Seminare rund um die Literatur zu organisieren. Ja selbst mit ihrer freien Theatergruppe, in der sie Stücke mit entwickelte und auch auf der Bühne stand, was sie heute distanziert belächelt, gastierte sie in dem Land der Widersprüche. Und dem Land ihrer Freunde, das sie noch bis ins ferne Sibirien kennenlernen möchte.
Bislang hat sie es allerdings noch nicht geschafft, dass auch ein zeitgenössisches russisches Stück auf den Spielplan ihres Theaters gelangte, wofür sie sich durchaus immer wieder in die Bresche schlägt. „Die meisten Stücke sind zu Russland spezifisch oder in einer verschroben-grotesken Weise geschrieben.“ Dennoch hätte sie da so ihre Favoriten.
Die findet sie natürlich auch an anderen Ecken der Welt, in die sie ihren Lesezirkel schlägt. Um den Spielplan zu gestalten, nehmen die Dramaturgen sehr viele Stücke unter die Lupe und geben danach ihre Bewertung ab. „Jeder nimmt sich andere Texte vor, so dass wir gut über alles Neue informiert sind. Dann umkreisen wir, welche Themen in der Luft liegen und welche möglicherweise speziell für Potsdam interessant sein könnten – so wie wir bisher die Stadt zu verstehen glauben.“
Auch in Magdeburg, wo sie bereits vor der Ära von Tobias Wellemeyer arbeitete, sei es kein Selbstläufer gewesen, dass das Publikum dem Theater folgte. „Und wir erwarten auch von den Potsdamern nicht, dass sie uns die Türen einrennen.“ Es sei ein Kennenlernprozess, der über den „Nachtboulevard“, wo der Zuschauer mit den Theaterleuten auch mal ein Bier trinken kann, angekurbelt werden soll. „Wir wissen inzwischen schon besser, wer ins Theater geht und wie die Besucher reagieren. Das werden wir weiterdenken. Aber wir wollen natürlich auch Wagnisse eingehen.“ Sie selbst wünscht sich vor allem für den „Architekten“, ihr erstes Stück, das sie in Potsdam betreute, mehr Zuschauer.
Oft verbringt die 43-Jährige zwölf und mehr Stunden am Haus. „Kein Wunder, dass ich da noch alleine bin“, sagt sie mit fröhlich-charmantem Lächeln. Bei ihrem Arbeitspensum fragt sie sich mitunter durchaus, wie lange sie das noch so durchhält. „Doch das Theater ist wie ein Sog, ein absoluter Luxus: alle sechs Wochen kann ich mich mit neuen Stücken, neuen Stimmungen, neuen Schauspielerkonstellationen beschäftigen. Da wird es nie langweilig.“ Auch wenn sie manchmal wütend auf den Tisch haut und frustriert ist, wenn zum Beispiel ein Regisseur kein Interesse hat, ihre Meinung zu hören. „Man muss schon sehr diplomatisch sein und den richtigen Moment abpassen.“ Da kommt es ihr zugute, dass sie zurückhaltend, aber auch von konsequenter Beharrlichkeit ist.
Und so hält Nadja Hess sicher auch bei „Frank (und frei)“ oder der „Kameliendame“, die sie ebenfalls betreut, nicht hinterm Berg, wenn Kritisches anzumerken ist.
Schließlich sehen sich Dramaturgen auch als Anwälte der Zuschauer. „Ich bin neugierig darauf, Menschen zu gewinnen, sie zu begeistern und auf immer neue Reisen mitzunehmen.“ Und da muss man sich manchmal eben auch durchbeißen, so wie Emma, die sich nicht beirren oder einschüchtern lässt.
„Frank (und frei) hat am kommenden Freitag Premiere. Das Stück ab 13 Jahren beginnt um 10 Uhr in der Reithalle. Es spielen Friedemann Eckert, Nora Wiel, Sabine Scholze, René Schwittay.
- Hochschulen
- Jugend
- Kanada
- Lehrer
- Russland
- Schleswig-Holstein
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- Theater in Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: