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Kultur: Sie durchtanzte ihre Rollen

Gisela Uhlen übergab dem Filmmuseum Erinnerungsstücke: Freitag liest sie aus ihrer Autobiografie

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Bevor Gisela Uhlen eine Rolle lernte, dachte sie sich für ihre Figur eine Choreografie aus. Sie durchtanzte im Geist das Stück. „Es ist die schwerste und wichtigste Phase, der ,Rolle unter die Haut zu kriechen““. Mit dieser Methode wurde aus der einstigen Tänzerin eine der wandlungsfähigsten Schauspielerinnen, die mit einer außergewöhnlichen Körpersprache zu begeistern wusste. Die heute 86-jährige, noch immer sehr agile Mimin war Partnerin von „schweren Jungs“ wie Emil Jannings, Werner Krauß oder Gustaf Gründgens, spielte unter Heinrich George, Wolfgang Langhoff oder Rainer Maria Fassbinder.

Am Freitag nun kommt „die Französin mit Anmutung auf Deutsch“ , wie sie der Theaterkritiker Friedrich Luft einst bezeichnete, nach Potsdam. Sie wird aus ihrem bereits dritten autobiografisch gefärbten Buch „Umarmungen und Enthüllungen“ (2002) lesen und damit die Übergabe ihrer künstlerischen Erinnerungsstücke an das Filmmuseum krönen.

Filmmuseumsmitarbeiter Guido Altendorf war dem Star schon lange auf den Fersen, schließlich sollte Gisela Uhlen in der neuen Dauerausstellung unbedingt mit einem Exponat vertreten sein. Die Künstlerin gab ihm indes einen Korb. Noch war es nicht an der rechten Zeit, sich von dem Liebgewordenen zu trennen. In der Potsdamer Ausstellung durfte sie dennoch nicht fehlen: Das Museum behalf sich mit einem Kostümentwurf ihres Waldkleides der Emilia Galotti. „Diese Frau deckt schließlich alles ab, was für ein Filmmuseum von Interesse ist: Sie war zehn Jahre bei der Ufa, über fünf Jahre bei der DEFA, und auch den westdeutschen Film und das Theater repräsentiert sie.“

Trotz ihres Ausschwärmens an viele große Bühnen, blieb Gisela Uhlen ihrer Heimatstadt Leipzig immer eng verbunden: obwohl ihre Kindheit nicht gerade dazu angetan war. Sie litt unter der Ehekrise der Eltern und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Vaters Augustin Schreck, der Opernsänger und später Schnaps-Fabrikant war. „Das kleine Mädchen, in seiner seelischen Entwicklung unbehütet, wurde sich selbst überlassen, nur ihrem eigenen kindlichen Instinkt vertrauend. Sehr früh hellhörig geworden gegenüber Misstönen Erwachsener versank sie ständig in der Betrachtung ihrer Umgebung“, ist in Gisela Uhlens Autobiografie zu lesen. Vom Kunstvirus wurde sie indes früh infiziert, nicht zuletzt durch ihren Onkel Max Schreck, dem legendären „Nosferatu“-Darsteller.

Mit fünf Jahren tritt die kleine Gisela in Mary Wigmans Schule für modernen Ausdruckstanz ein, um mit 15 festzustellen: „Tanzen allein ist für mich nicht genug. Ich werde Schauspielerin. Ich bin heute Nacht nach Berlin gefahren, alle Konsequenzen trage ich selbst.“ Wenige Jahre später erhält sie ersten Hauptrollen auf der Bühne und bei der Ufa. Ihr erstes Engagement führt sie nach Bochum. Dann spielt sie unter Heinrich Georges Intendanz bis 1944 am Schiller–Theater Berlin das klassische Repertoire, sie war die Julia und Luise. Auch im Film war sie während der Kriegsjahre ein Star. Mit Regisseur Hans Bertram, dem ersten ihrer sechs Ehemänner, bekam sie Tochter Barbara. Als sie danach eine Ehe mit Wolfgang Kieling einging, kam es zu einem bösen Sorgerechtsstreit. So floh die junge Mutter mit Kieling in die DDR, wo ihnen DEFA-Chef Albert Wilkening Tür und Tor öffnete. In Potsdam wurde 1955 die zweite Tochter Susanne geboren. Mehrere Jahre lebte das Schauspielerpaar in Kleinmachnow, bis Gisela Uhlen am DEFA-Regisseur Herbert Ballmann Gefallen fand, mit dem sie den Film „Der Teufel vom Mühlenberg“ drehte. Kurz vor dem Mauerbau ging sie nach Westberlin, später dann in die Schweiz ans Züricher Schauspielhaus.

In letzter Zeit arbeitete Gisela Uhlen kaum noch. „Das lag sicher an der Qualität der Angebote“, so Altendorf, der schließlich doch noch im vergangenen Jahr einen Anruf von der inzwischen in Köln, in der Nähe ihrer Tochter wohnenden Schaupielerin erhielt. „Jetzt wollte sie Teile ihrer Erinnerungsstücke in berufene Hände geben.“ Seine erste „Privataudienz“ bei der großen Dame, der er mit viel Respekt begegnete, zählt zu seinen Sternstunden. „Ich kam in den Genuss einer Privatlesung. Beim Durchstöbern ihrer Kisten stieß Frau Uhlen auf ihre Kurzgeschichten und las sich dabei fest. Schließlich begann sie laut zu lesen.“ Nach Potsdam konnte Guido Altendorf nicht nur Dokumente wie Kritiken oder Verträge, so aus ihrer Zeit als Chefin einer Wanderbühne, mitbringen. Auch von ihrem Bühnenschmuck, den sie sich immer selbst kaufte, trennte sich diese „sehr intelligente, und noch immer sehr schöne Frau.“

Viel Glitzerndes, das auch bei ihrer Lesung über stolze Erfolge im Beruf sowie herbe Niederlagen im Privaten aus der Vitrine strahlen wird. Heidi Jäger

2. 12. 17.30 „Der stumme Gast“ (1944/45); 19.30 Uhr: Gisela Uhlen liest, anschließend „Der fallende Stern“ (1950).

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