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Kultur: Sie machte Paula schön

Kostümbildnerin Barbara Braumann übergab ihre Sammlung dem Filmmuseum: Ausstellung ab 6. März

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Sie zog Paul und Paula an und auch Heinrich Zille. Zirry, das Wolkenschaf bekam durch ihre Hand seinen fantasievollen Zuschnitt, so wie auch Hans Röckle und der Teufel. Allein 38 DEFA-Kinofilmen verlieh Kostümbildnerin Barbara Braumann optisches Gewicht. Kein leichtes Unterfangen, nunmehr aus der Fülle ihrer Arbeiten eine Foyerausstellung zu kreieren, die ab 6. März einen neuen Schatz aus dem Archiv des Filmmuseums zur Schau stellt.

Obwohl einige ihrer Filme bis heute sehr populär sind, hat Barbara Braumann keinen Lieblingsstreifen. „Ich habe mich in jede Arbeit mit gleicher Intensität hineingekniet und bin mit ihr verschmolzen – so wie ein Schauspieler mit seiner Rolle.“ Und zu jedem Film weiß die quicklebendige Frau Geschichten zu erzählen.

Allein, wer sich an Zeiten von Konsum und HO erinnert, weiß, dass Kleidung mit Pfiff auch immer pfiffige Ideen des Trägers voraussetzte. So war zwar „Paul und Paula“ ein Gegenwartsfilm, doch Garderobe von der Stange gab es für ihn nicht. „Schon weil Regisseur Heiner Carow ihn überhöht angelegt hatte.“ Lackstiefel bis übers Knie und geschnürte Korsagen, so wie sie Pauls Ehefrau vom Rummel, alias Heidemarie Wenzel, plakativ-vordergründig trug, wollten erst einmal angefertigt sein. Im Kontrast zu diesem erotischen Schönchen stand Paula: abgehärmt und mit Kittelschürze, aber mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Doch auch sie wollte schön sein für ihren Paul: Drum schnitt sie von einem Strohblumenstrauß die Blüten ab und nähte sie auf ihren Unterrock. Dieser Paula-Trick ist natürlich auch von Barbara Braumann.

Aus dem Nichts etwas zu kreieren, gehörte zu ihren besonderen Herausforderungen – und Leidenschaften. „Oft fuhr ich durch die ganze DDR, um Stoffe aufzutreiben. Ich kniete geradezu in den Abfallkisten der Möbelbezugshersteller, um prachtvolle Roben für die Renaissance anfertigen zu können.“ Oder sie schnitt Ornamente aus Plauener Spitze heraus, um sie beispielsweise auf ein Kostüm von Jenny Gröllmann zu applizieren, das sie 1990 an der Seite von Ulrich Mühe in dem Film „Der kleine Herr Friedemann“ trug. Dieses hellgelbe Kostüm mit Hütchen und Tasche wird ebenso in der Ausstellung zu sehen sein, wie die Kleider von Christine Schorn und Carmen-Maja Antoni, die sie in der Romanverfilmung von Thomas Mann als ihre Schwestern trugen.

Auch das weich fließende, lange rote Kleid von Lilli Mamotti in „Zille und ick“ konnte sie noch im Fundus der Babelsberger Filmstudios aufstöbern. Allerdings mit abgeschnittenen Ärmeln. Zum Leidwesen der Kostümbildnerin und der Archivare des Filmmuseums – denen Barbara Braumann ihre Sammlung mit Fotos, Figurinen und Stoffproben-Karten aus 25 Jahren anvertraute – werden heute diese Zeugnisse der DEFA-Geschichte zum Fasching verliehen und dabei oft verschlissen. „Vieles ist verlorengegangen, so auch die Kostüme von Paul und Paula.“

Beim Zille-Film erinnert sich Barbara Braumann besonders gern an die Kostüme für die Bettler. „Das hat viel mehr Spaß gemacht als die schönsten Kleider.“ Die alten „Lumpen“ wurden neu angefertigt, dann kaputt geschnitten und schließlich wieder zusammengenäht und patiniert. „Die Maske rührte Fette an, um die Hüte schön speckig aussehen zu lassen, der Gewandmeister setzte Flicken auf. Es war eine tolle Teamarbeit, so wie Film überhaupt nur aus dem Zusammenspiel funktioniert.“ Dass die inzwischen pensionierte Künstlerin, die auch nach der Wende noch zehn Jahre Fernsehfilme und Serien, wie die „Sylter Geschichten“ oder „Anna Maria“, kostümierte, für ihren Beruf brannte, ist aus jedem Satz zu hören.

Schon als Kind habe sie genau gewusst, was sie einmal werden will. Zweimal habe sie als Schülerin den ersten Preis eines Malwettbewerbs ihrer Heimatstadt Magdeburg gewonnen. „Als Belohnung gab es eine Reise nach Berlin. Dort sah ich eine tolle Kinoreklame. Alles funkelte. Für mich war klar: Ich werde einmal Kostüme für Filme entwerfen. Darauf habe ich hingearbeitet.“ Um eine Zulassung an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee zu bekommen, musste sie aber erst Schneiderin lernen. „Was mir gar nicht passte - obwohl ich alle Puppen aus meiner Straße mit Kleidern benähte.“ Doch sie hatte ihr Ziel. Also wurde sie Maßschneiderin und Theaterschneiderin noch dazu: „Bei ,Kunst und Mode“, die auch für den Friedrichstadtpalast arbeiteten.“ Schon während des Studiums fuhr sie mit Zeichenmappe unterm Arm nach Babelsberg, um sich zu bewerben. Sie hakte so lange nach, bis sie wirklich ihren Traumjob bekam. „Ein halbes Leben verbrachte ich in der Marlene-Dietrich-Halle“, sagt sie und strahlt. Dass sie ihren Beruf von der Pike auf gelernt hat, sieht man den Kostümen an: Sie stimmen haargenau mit den Figurinen überein, die Barbara Braumann zuvor entwarf. Sie ahnte jeden Faltenwurf voraus. Versierte künstlerische Handarbeit, für die die DEFA einstand.

Zur Eröffnung läuft „Der kleine Herr Friedemann“ sowie „ Zille und ick“. Laudator: Regisseur Werner W. Wallroth.

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