Kultur: Sie pfiffen auf“s System
Der Film „Hippies in der DDR“ im rbb
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Der Film „Hippies in der DDR“ im rbb Da salbadert das DDR-Oberhaupt Erich Honecker auf einem der ungezählten Parteitage etwas von einer Jugend, die fest verbunden sei mit der Arbeiterklasse. Doch draußen, in den Tanzsälen der Provinz, tobt eine „negativ-dekadente“ Jugend zu der Musik des Klassenfeindes. Da warnt ein Nachrichtensprecher im Fernsehen zu den Bildern einer englischen Rockband, dass diese Musik den Menschen zur Gleichgültigkeit erziehe, ihn gar zu einem „total manipulierten“ Wesen mache. Doch die „negativ-dekadente“ Jugend schaut sich diese Nachrichtensendung immer wieder an, um 15 Sekunden lang die englische Band zu sehen. „Hippies in der DDR“ heißt der Dokumentarfilm von Lutz Rentner und Frank-Otto Sperlich, der am Montag, dem 10. Oktober, um 22.15 Uhr beim rbb zu sehen sein wird. Der 45-minütige Dokumentarfilm ist Auftakt einer dreiteiligen Reihe mit dem Titel „Echt Ost“. „Tramper, Blueser, Kunden“ nannten sich die Jugendlichen, die sich nicht dem von der Partei verordneten Idealbild des DDR-Jugendlichen fügten. „Assis“ nannte sie der Werktätige, der mit diesen langhaarigen Gesellen so recht nichts anzufangen wusste. Rentner und Sperlich lassen in „Hippies in der DDR“ die alten Haudegen zu Wort kommen, die in den 70er Jahren durch den sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat von Konzert zu Konzert trampten, um wenigsten ein kleines Gefühl von Freiheit zu bekommen. Da sagt Uta Müller, genannt „Citrone“, „Wir wollten frei sein, Musik hören, nicht bevormundet werden“. Jörg Schütze, genannt „Speiche“, kann sich noch gut daran erinnern, wie der DDR-Bürger beim Anblick von Männern mit langen Haaren in Wallung geriet, mancher gar mit „Vergasung“ drohte. Hier waren die Spießbürger in Ost wie West einer Meinung. Doch während im Westen sich eine Jugendkultur als Gegenentwurf zur Elterngeneration entwickeln konnte, versuchte die Staatsführung in der DDR alles, um das zu verhindern. Die Stasi hatte jeden im Blick, doch unter Kontrolle halten ließen sich die Ost-Hippies nicht. Sie fanden immer einen Weg dorthin, wo sie nicht erwünscht waren. Und selbst im Gefängnis blieb mancher auf dem Laufenden, was die neusten Hits betraf. Kam ein „Neuzugang“, dann musste er vorsingen, was es Neues in der westdeutschen Hitparade gab. So hörte Jörg Schütze zum ersten Mal „Keep on running“ von der Spencer Davis Group hinter Gittern. Lutz Rentner und Frank-Otto Sperlich haben mit „Hippies in der DDR“ ein Milieuskizze geschaffen, die weder verherrlicht noch beschönigt. Und manchmal, wenn einer von ihnen sich erinnert, wird spürbar, wie stark dieses Anderssein machen konnte. Denn nur so lässt sich erklären, wie gelassen sie noch heute mit den Repressionen durch die „Organe“ der DDR umgehen. Die Stasi, ob in Uniform oder Zivil, konnte diesen „Trampern, Bluesern oder Kunden“, was ihre Vorstellung von ihrer Jugend betraf, nichts anhaben. Dirk Becker „Hippies in der DDR“ eröffnet am Montag, dem 13. Oktober, um 22.15 Uhr im rbb die Reihe „Echt Ost“. Am 17. und 24. Oktober, jeweils um 22.15 Uhr, werden die Filme „Beat und Propaganda“ und „Erziehung um jeden Preis“ gezeigt.
Dirk Becker
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