Kultur: „So lustig war die DDR dann auch wieder nicht“ Sonnabend hat die „Legende vom Glück ohne Ende“ Premiere
Der Dramaturg Michael Philipps war angenehm überrascht, dass die jüngere Generation bei der Einführungsveranstaltung „Premierenfieber“ zu „Legende vom Glück ohne Ende“ am Hans Otto Theater so zahlreich vertreten war. Wo doch der Film „Die Legende von Paul und Paula“ (Drehbuch Ulrich Plenzdorf) 1973 seinen beispiellosen Erfolgszug antrat, als die Jugendlichen noch gar nicht geboren waren.
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Der Dramaturg Michael Philipps war angenehm überrascht, dass die jüngere Generation bei der Einführungsveranstaltung „Premierenfieber“ zu „Legende vom Glück ohne Ende“ am Hans Otto Theater so zahlreich vertreten war. Wo doch der Film „Die Legende von Paul und Paula“ (Drehbuch Ulrich Plenzdorf) 1973 seinen beispiellosen Erfolgszug antrat, als die Jugendlichen noch gar nicht geboren waren. Doch die Verknüpfung mit dem allseits beliebten Medium Kino, das der Jugend weitaus geläufiger ist als das Theater, scheint dem Theater einen Reiz zu verleihen, Tempo, thematische Gegenwärtigkeit zu versprechen, statt Trockenes, tendenziell Langweiliges. So war es sicherlich eine sinnvolle Entscheidung des Theaters, dem eigentlichen Stücktitel „Die Legende vom Glück ohne Ende“ den Untertitel „Die Geschichte von Paul und Paula“ beizufügen. Denn auch heute, dreißig Jahre später, zieht der Film das Publikum in die Kinos. Das Theaterstück, welches Ulrich Plenzdorf 1979 als Fortsetzung der Filmgeschichte geschrieben hatte, ist bis heute weitaus weniger erfolgreich. Zu DDR-Zeiten lag das an der Zensur. Das Stück ist kritischer als der Film. In einem Interview erzählte Plenzdorf: Das Stück „wurde am Deutschen Theater probiert, aber mitten in den Proben abgesetzt, zusammen mit dem Intendanten, Gerhard Wolfram. Es gab danach nur eine Inszenierung in einer wirklich richtigen, vernünftigen Weise in Schwedt von Freya Klier. Alle anderen Inszenierungen, die ich später gesehen habe, waren durch die Bank zum Kotzen.“ Und zwar deshalb „zum Kotzen“, weil dem Stück sämtliche Zähne gezogen werden mussten, damit es überhaupt aufgeführt werden durfte. Heute sieht die Situation anders aus. Niemand stellt sich mehr der Originalfassung in den Weg, im Gegenteil: „Was Plenzdorf ausgespart hat, haben wir ausgesprochen, das dürfen wir ja heute“ , sagte Philipps. Dem Stück wurden also Zähne hinzugefügt, da man sich nicht mehr hinter Anspielungen zu verstecken braucht. Auch hat der Regisseur Alexander Hawemann die Geschichte bis zum Mauerfall fortgesponnen. Wogegen jedoch richtet sich ein kritisches Stück, dessen Gegenstand der Kritik seit 14 Jahren nicht mehr existiert? Gerade dieser zeitliche Abstand habe dem Stück neue Aktualität verliehen. Heute sei die Gefahr, dass die Erinnerungen immer tückischer werden. „Das Problematische, was einen damals vielleicht jede Woche von neuem nervte, was einen belastet hatte, verblasst. Und das Schöne tritt in den Vordergrund. Ein typisches Phänomen des Erinnerns.“ Doch, wie Michael Philipps es ausdrückte: „Die DDR lässt sich nicht reduzieren auf Sandmann, Katharina Witt und Spreewaldgurken, die DDR war schon noch ein bisschen mehr.“ Und so haben sich die Theatermacher die Freiheit genommen, das Stück auf die Kritik an gegenwärtigen Haltungen zuzuspitzen. Doch alle kämen auf ihre Kosten, wie der Dramaturg versicherte, denn natürlich lasse die Inszenierung die DDR bis zu einem gewissen Grad auch wieder nostalgisch aufleben. „Die schöne Rollware, gibt“s die noch zu kaufen?“ fragte ein Besucher grinsend. Er habe sie nach Vorlage extra für die Inszenierung anfertigen lassen, antwortete der Bühnenbildner Georg Burger. Im Anschluss an die Einführung des Dramaturgen gab es von der engagierten Theaterpädagogik des HOT Informationen über Begleitmaterial für Lehrende und einen Theaterworkshop zum Stück für Schüler und Schülerinnen. Dann wurden den fünfzig Interessierten, die zum „Premierenfieber“ gekommen waren, einige Szenen vorgespielt. Was für die auf Samstag angesetzte Premiere ungünstig ist, war für das Vorpremieren-Publikum eigentlich ganz nett. „Ick bin jetz mal Paula“ berlinerte Alexander Hawemann und sprang auf die Bühne hinauf, um sich mit dem Musiker Robert Beckmann einen Streitdialog rund ums Sofa zu liefern. Die eigentliche „Paula“, Katja Heinrich, war krank. Sie wird auch die Premiere nicht spielen können. Gestern sprang kurzfristig Alexandra Röhrer für sie ein, die nunmehr als Paula und Laura in einer Doppelrolle zu sehen ist. Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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