zum Hauptinhalt
Blick auf die ganz persönlichen Erfahrungen. Regisseur Robert Thalheim.

©  M. Thomas

Kultur: Sommer der Entscheidung

Der Regisseur Robert Thalheim sprach im Filmmuseum über seinen Film „Westwind“

Stand:

Äußerlich gleichen sie sich nicht wie ein Ei dem anderen, doch sie tun alles zusammen, die 17-jährigen Zwillinge Isabell und Doreen aus Döbeln, die in dem Film „Westwind“ von Robert Thalheim im Sommer 1988 in ein Ferienlager am Balaton reisen, um dort für die Rudermeisterschaft zu trainieren. Wenn sie euphorisch aus dem Zugfenster den Plattensee begrüßen oder im absoluten Gleichklang über den See rudern, scheinen die dunkelhaarigen Mädchen im Blick der Kamera zu einer Person zu verschmelzen. Auch wenn sie gemeinsam über den Zaun klettern, um in der Disco heimlich die Jungs aus Hamburg wiederzutreffen, die sie wegen eines verpassten Busses ein Stück in ihrem Auto mitgenommen hatten. „Einmal machen wir das“, sagt Isabell da. Am Ende des Films, der am Dienstagabend in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ im Filmmuseum gezeigt wurde, treffen die Schwestern eine Entscheidung, von der sie in diesem Moment nicht wissen können, dass die Geschichte deren Tragweite schon bald und für immer außer Kraft setzen wird: Doreen, die sich in Arne aus dem Westen verliebt hat, flieht mit ihm – versteckt in seinem Auto – nach Hamburg, Isabell bleibt und wird in die DDR zurückkehren.

Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Auch das reizte den Regisseur Robert Thalheim dazu, erstmals nach „Netto“ und „Am Ende kommen Touristen“ einen Stoff zu verfilmen, den er nicht selbst geschrieben hat. „Gefühlt scheint es viele Filme über die DDR zu geben“, sagte er. „Schaut man genau hin, sind es im Kino entweder Komödien, oder die großen Tragödien, die alles so grau in grau zeigen, dass man darin eigentlich nicht leben konnte. Die ganz persönlichen Erfahrungen dazwischen werden selten erzählt. Das Fernsehen kultiviert die Eventkultur, zu Jahrestagen werden viele Fluchtfilme gezeigt, dann ist die Flucht das Hauptthema. Das interessiert mich wenig, denn es erzählt nichts von dem, was ich jetzt von meinen Freunden oder Leuten, die mir nahe stehen, über die DDR erfahren habe.“

Eine aus Kanada stammende Zuschauerin sagte, sie habe in einer Rezension die Kritik gelesen, der Film erzähle sehr wenig über Ideologie und politische Spannung, sie fände es jedoch sehr schön, dass dies über die Figuren erzählt würde statt über den Dialog, gab Robert Thalheim Gelegenheit, auch von seinen Erfahrung mit Fernsehredakteuren zu berichten, die von ihm auch ideologisch sehr viel direktere Szenen gefordert hatten. In der Entwicklung des Drehbuches habe er auch versucht, Dialoge zu schreiben, in denen diskutiert wird, welches System besser ist. Bei der Arbeit mit den Schauspielern – vor der sich übrigens auch die beiden Hauptdarstellerinnen Friederike Becht und Luise Heyer mit den echten Zwillingen austauschen konnten – sei aber deutlich geworden, dass so niemand rede und die Dialoge wurden wieder gestrichen.

Als Thalheim von Susann Schimk, einer der beiden Schwestern, die auch am Drehbuch mitarbeitete und zu den Produzenten des Films zählt, die Geschichte hörte, interessierte ihn daran sofort die Zwillingskonstellation. An der Geschichte habe ihn auch fasziniert, dass Jugendliche in einem Sommer eine so tiefgreifende Entscheidung treffen, die Auswirkungen auf den Rest ihres Lebens hat und die sie mit 17 Jahren eigentlich gar nicht treffen können. Doch trotz des politischen Hintergrunds balanciere „Westwind“, so Moderatorin Anke Leweke, gekonnt auf dem Grad zwischen trauriger Geschichte und trotzdem schönem Liebesfilm und Sommerfilm. Gabrielle Zellmann

Gabrielle Zellmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })