
© Deena Mustafa Arqawi
Kultur: Stadtgesichter
In der Reihe „Städteporträts“ zeigt die „a/e Galerie“ Bilder verschiedener Fotografen über Palästina
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Eine Besichtigung der 32 Fotos über Palästina, gemeinsam mit der Galeristin Angelika Euchner, braucht Zeit. Sie kann zu jedem Foto minutenlang erzählen. „Ich habe einen persönlichen Zugang zu diesem Thema“, sagt Angelika Euchner über den vierten Teil der Ausstellungsreihe „Städteporträts“. Nach Bildern von Istanbul, Kairo und Damaskus zeigt sie jetzt in ihrer „a/e Galerie“ Fotos aus Orten in Palästina. Diese Wahl sei nur konsequent, sagt sie: Es wäre wie eine Städtereise durch den Nahen Osten, von Israel bis in den arabischen Sprachraum. Weil sie vor Jahren Islamkunde studiert und dabei Arabisch gelernt hat, ist Angelika Euchner an den Vorgängen und Entwicklungen in diesen Ländern besonders interessiert.
Sie will wieder auf die Probleme der Menschen in diesem Brennpunktgebiet aufmerksam machen – gerade weil der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zurzeit kaum in den Medien präsent sei. „Aber er ist ja deshalb nicht beendet oder weniger schlimm“, so die Galeristin.
Die Bilder stammen von Michael Lüder und Manfred Friedrich aus Potsdam und Mohammad Alhaj und Majdi Hadid aus Ramallah, sowie Deena Mustafa Arqawi, einer erst 18-jährigen Fotografin aus einem Dorf nördlich von Ramallah. Vor einem Jahr besuchte Angelika Euchner selbst dieses Gebiet. „Ich denke, ich kann beurteilen, ob mit der Fotoauswahl alle Aspekte berücksichtigt werden.“ Dass die Bilder dennoch fast durchgehend die Sichtweise der vertriebenen Palästinenser und Flüchtlinge zeige, sei eine bewusste Entscheidung.
Trotz des politischen Hintergrunds will sie die Bilder nicht auf diesen reduziert sehen. Der künstlerische Aspekt ist ihr ebenso wichtig. Immer wieder bleibt sie vor dem einen Foto stehen, das von der damals erst 16-jährigen Deena Mustafa Arqawi stammt: Ein kleines Mädchen, das im Flüchtlingslager hinter einer vergitterten Tür steht und durch eine zerrissene Gardine schaut. Die verspielten Herzformen des schmiedeeisernen Gitters stehen in eigenartigem Kontrast zu dem Elend, das man dahinter vermuten kann. Zu der Perspektivlosigkeit, in die das Kind mit großen Augen schaut, hinaus in die konfliktbeladene Umwelt.
Wie es da draußen in einem Lager aussieht, zwischen ärmlichen Hütten, zeigen weitere Bilder. Doch es gibt neben Ansichten mit eindeutigen, offensichtlichen Aussagen auch andere, in denen sich die Problematik der Bewohner des umkämpften Landstriches versteckt zeigt. Michael Lüder hat während seiner Palästina-Reise das Arafat-Mausoleum in Ramallah fotografiert: Wie ein simpler Zweckbau wirkt der offene Kubus mit dem Sarkophag, bewacht von zwei Soldaten. Angelika Euchner hat die Porträts der beiden ernst, fast versunken schauenden, uniformierten Wachposten rechts und links neben die Frontalaufnahme des Mausoleums gehängt. Die Kombination bekommt dadurch religiöse Züge, wirkt wie ein Triptychon – und assoziiert zugleich Erinnerungen an einstige ostdeutsche Mahnmale.
Das tut auch die Mauer, die immer wieder in den Bildern auftaucht. Wesentlich höher als die innerdeutsche Grenzmauer schneidet der Betonwall durch die mediterrane Landschaft, trennt Israelis von Palästinensern im Westjordanland. Die Galeristin hing daneben Bilder von Menschen, die sich mit Palästinaflaggen vor dem Gesicht vor Tränengas schützen wollen oder leere Tränengaspatronen aufsammeln, um sie in hilfloser Wut zurückzuwerfen gegen Israelische Soldaten.
Daneben gibt es Fotos, die mit Kleinigkeiten anrühren. So ist ein Sammeltaxi in das Krisengebiet Hebron mit einem Schild ausgestattet, auf dem unter der Zielangabe steht: Inschallah. So Gott will. Eine Gruppe halbwüchsiger Jungs, fast noch Kinder, die auf dem Bazar abhängt, stimmt friedlich – wäre da nicht im Hintergrund ein Poster mit Selbstmordattentätern zu sehen, die auf solchen bunten Plakaten als Märtyrer gefeiert werden. „Was wird wohl aus den Jungs?“ fragt sich Angelika Euchner.
Gut, dass es Fotos mit Alltagszenen gibt, mobile Teeverkäufer und den Lebenshändler, der leuchtend buntes, eingelegtes Gemüse verkauft – abgefüllt in alte Limoflaschen. Neben leeren, toten Straßenzügen, aus denen die Palästinenser längst geflohen sind, überraschen postkartenähnliche Innenansichten der Geburtskapelle in Bethlehem, auch das ist Palästina, und Panoramaansichten von Jerusalem in der Dämmerung, vom Hügel aufgenommen, sichtbar nicht nur der Felsendom, sondern auch die verschiedenen Mauerzüge und Korridore, die die Stadt teilen.
„Es gibt viele gute Fotografen in Palästina“, so Angelika Euchner. Dass Mohammad Alhaj und Majdi Hadid zur Vernissage kommen konnten, an der auch der palästinensische Botschaftsrat teilnahm, freute sie sehr. Deena Mustafa Arqawi, die als junge Frau nicht allein reisen durfte, will Angelika Euchner jetzt unterstützen. „Sie ist ein Talent und muss unbedingt eine Fotografen-Ausbildung machen.“
Die Ausstellung ist bis zum 9. Dezember in der „a/e Galerie“, Hermann-Elflein-Straße 18, mittwochs bis freitags, 15-19 Uhr, und samstags, 12-16 Uhr, geöffnet
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