Kultur: Steinhart
Birgit Cauer zeigt bei einem Bildhauerseminar im Neuen Atelier Panzerhalle, wie man dem Stein und sich selbst auf die Spur kommt
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Im Garten hinterrücks vom Neuen Atelierhaus Panzerhalle wird in diesen Tagen fleißig gehämmert und geklopft. Etwa zehn Frauen und Männer haben sich unter den schattenspendenden Bäumen locker auf der Wiese verteilt, ein jeder von ihnen versunken in die bildhauerische Arbeit an seinem Stein. Mit Hammer und Meißel werden Schlag für Schlag dem Marmor, Porphyr und Travertin abstrakte Formen oder ein menschlicher Torso entlockt. Hier ist voller Einsatz gefordert: Konzentration, Ausdauer und die Bereitschaft, sich ganz und gar auf den Stein einzulassen.
Für einige der Teilnehmer ist es das erste Mal. Eine junge Frau probiert sich am roten Porphyr aus. Sie genießt es, sich eine ganze Woche lang ganz und gar auf den Stein zu fokussieren. Im Job, erzählt sie am Rande, muss sie tagein tagaus tausenderlei Dinge nebeneinander koordinieren, ist Ansprechpartnerin für alles und jeden. Bei der Arbeit am Stein kommt sie wieder zur Ruhe, ist ganz bei sich.
„Jeder muss mal in seinem Leben einen Stein bearbeitet haben.“ Davon ist Birgit Cauer felsenfest überzeugt. Zum Stein ist die in Berlin lebende Bildhauerin mit Atelier und Steindepot in Groß Glienicke vor vielen Jahren mehr oder weniger durch einen Zufall gekommen. Nach einer ersten künstlerischen Ausbildung, einem kunstwissenschaftlichen Studium und ersten Gehversuchen als Kunstpädagogin kreuzte ein Steinbildhauer ihren Weg. Mit Steinen hatte sie es bis dahin noch nicht zu tun gehabt. Kurze Zeit später fand sich die unternehmungslustige junge Frau in den Steinbrüchen von Carrara wieder. Bei den urwüchsigen Steinbrucharbeitern lernte sie nicht nur Italienisch, sondern vor allem den Marmor von Grund auf kennen. „Es war eine harte Schule“, erinnert sich die Mittvierzigerin mit unverändertem Elan heute, eine Schule überdies, die für ihre weitere künstlerische Entwicklung ganz ohne Frage wegweisend war.
„Alles, was ich weiß, hab“ ich vom Stein gelernt“, verrät die Künstlerin, und kommt beim Reden über ihre Faszination für den Stein so richtig in Fahrt: „Im Stein ist alles drin“ Dass man an ihm einen echten Lehrmeister fürs Leben hat, möchte Birgit Cauer weitergeben. Die Seminare in Steinbildhauerei, die sie für Anfänger wie Fortgeschrittene landauf, landab bis hin nach Italien anbietet, sind ein wesentlicher Baustein auf diesem Weg. Auf ihm baut die Bildhauerin in ihrer künstlerischen Entwicklung viele Exkurse und Experimente ein, in denen sie auch unabhängig vom Stein mit dem Thema Körperlichkeit und Räumlichkeit arbeitet. Installationen mit Pflanzen und Anpflanzungen in der Natur sowie Installationen im Raum, bei denen mitunter ein Materialmix aus Drahtgeflecht, Armierungseisen, Pflastersteinen, Kunststoffschläuchen und Schweinedarm zum Einsatz kommt, gehören genauso zu Birgit Cauer dazu wie ihre feinen Zeichnungen, die dem bewegten und tanzenden Körper gewidmet sind. Allein diese Vielseitigkeit stiftet zur Neugierde an.
Zum Stein kommt Birgit Cauer am Ende immer wieder zurück. Der Dialog mit ihm beansprucht Beharrlichkeit, Entschiedenheit, Zeit und Geduld. Der Stein steht da und fordert seinem Gegenüber eine innere Haltung ab – ohne Wenn und Aber. In der Weise, wie man sich auf den Stein einlässt, kommt man nicht nur ihm, sondern auch sich selbst nach und nach ein bisschen mehr auf die Spur. Die Begegnung mit dem Stein wird zu einer Begegnung mit sich selbst und die Arbeit am Stein zur Arbeit an sich selbst. Ob man zögerlich mit dem Stein ist oder zu hart an ihn rangeht: alles, was man mit ihm macht, bekommt man sofort gespiegelt, vermittelt die Künstlerin.
Kurz bevor sie das sagt, ist einem Kursteilnehmer sein Travertin dort, wo er bei seiner Figur die Taille angesetzt hatte, in zwei Teile zerbrochen. Ein Stein, zumal ein Travertin, so einmal mehr die Erkenntnis, bleibt letzten Endes unberechenbar. Nicht zuletzt deswegen wird die Auseinandersetzung mit dem Stein zu einem Abenteuer, das nach Wiederholung ruft.
Wohl auch deswegen sind bei dem noch bis Sonntag andauernden Bildhauerworkshop wieder einige Teilnehmer dabei, die bereits seit mehreren Jahren regelmäßig zu den Seminaren von Birgit Cauer kommen. Einige von ihnen arbeiten bildhauerisch mittlerweile dicht an der Grenze zur Professionalität.
Die gute Nachricht für alle: Steine sind geduldig und bieten Widerstand. Deswegen sind sie auch in der kunsttherapeutischen Arbeit ein wahrer Segen. Auch auf dieser Schiene ist die Bildhauerin, Zeichnerin und Kunstpädagogin Birgit Cauer seit einigen Jahren beruflich unterwegs. Um neue Ideen scheint die vielseitige Künstlerin jedenfalls nicht verlegen. Aktuell hat sie ein Seminar und Coaching für Manager und Führungskräfte in Planung, bei dem selbstredend der Stein das Sagen hat.
Das nächste Bildhauerseminar im Neuen Atelierhaus Panzerhalle, Groß Glienicke, bietet Birgit Cauer vom 20. bis 25. Oktober an. Weitere Infos unter www.bcauer.de.
Almut Andreae
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