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Kultur: „Stratege und Spieler“

Gedenken an den Film- und Fernsehproduzenten Thomas Wilkening im Filmmuseum

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Gedenken an den Film- und Fernsehproduzenten Thomas Wilkening im Filmmuseum Durch die Folie des Todes betrachtet, liest man Filme anders. So auch die sommerlich leicht beginnende Tucholsky Adaption „Gripsholm“, das mit 12 Millionen DM größte und mutigste Projekt des kürzlich auf tragische Weise verunglückten Film- und Fernsehproduzenten Thomas Wilkening. Lydia, gespielt von Heike Makatsch, scheint mit dem Fahrrad einen Abhang direkt in einen See gefallen zu sein. Kurt (Ulrich Noethen) stürzt voller Angst ins Wasser. Doch Lydia steht wohlbehalten am Ufer: „Wir werden doch alle sterben – früher oder später“, verlacht sie ihren Liebhaber. Thomas Wilkening ist früher gestorben. Ihm zu Ehren fanden sich am Mittwoch im Filmmuseum Freunde und Weggefährten zusammen. Tiefe Trauer einte sie bei dieser stillen Veranstaltung. Die Erschütterung über den so jähen Fortgang saß tief. „Jeder Abschied ist zu früh, dieser ist viel zu früh“, so Stephan Ababarnell vom RBB, der zusammen mit Wilkening für die fünf Folgen „Polizeiruf 110“ mit Jutta Hoffmann als Kommissarin verantwortlich war. Die vom Medienbeauftragten Erhard Thomas übermittelten Beileidsworte von Ministerpräsidenten Platzeck bezeugten das Ausmaß des Verlustes: „Mit dem Tod von Thomas Wilkening hat die Medienlandschaft Brandenburgs einen ihrer kreativsten Menschen verloren.“ Wilkenings Freund, der Drehbuchautor Stefan Kolditz, der auch das Buch zu Gripsholm verfaßte, erinnerte an „den Strategen und Spieler“, der für die Polizeiruf-Folge „Angst“ mit seinen Schauspielern Aufnahmen des Castor-Transports drehen ließ, der für ein kurzes Stück auch durch Brandenburg führte, ohne dass bereits ein Drehbuch vorgelegen hätte. Kolditz wurde anschließend gebeten, eine Geschichte zu erfinden, in der die Aufnahmen Platz fänden. Die so entstandenen Bilder der Demonstranten und des Polizeieinsatzes waren sowohl die größten, als auch die preiswertesten Massenszenen im deutschen Fernsehen. Die Regisseurin Helke Misselwitz, mit der Thomas Wilkening seine Produktionsfirma führte, erinnerte, dass Wilkening nie unproblematische Filme produzieren wollte. Und dass, mit den Worten von Stefan Kolditz, der künstlerische Erfolg Wilkening stets wichtiger gewesen sei, als der ökonomische. Die Firma war immer nur kurz davor, schwarze Zahlen zu schreiben. Der gezeigte Zusammenschnitt aus den Filmen des Produzenten mit Szenen aus Herzsprung, Novalis, Angst, Mörderkind und Wandas letzter Gang zeigte, dass hier auch ein Fürsprecher Brandenburgs, ja des Ostens verloren wurde. Das Warum der Sinnlosigkeit des zu frühen Todes ist unergründlich. Dann ist wichtig, was bleibt. Katrin Sass, die in dem noch nicht ausgestrahlten Film „Mutterseelenallein“ die Hauptrolle übernommen hat, bleibt die Erinnerung an jemanden, der brannte, der besessen war, der Leib und Seele eingebrachte. „Wann wirst Du mal müde? Du warst nie müde“, fragte sie sich. Und es bleiben die Filme von Thomas Wilkening, die erfolgreichen Polizeirufe, mit denen der Osten einem Millionenpublikum ins Wohnzimmer gesendet wurde, und Gripsholm, den man, mit dem Charme Heike Makatschs und seiner rasanten Flugzeugakrobatik, auch als Vermächtnis lesen kann. Zunächst als wagemutige, transeuropäische Produktionsleistung. Und dann als Liebeserklärung an das Leben, die Liebe und das Risiko. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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