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Kultur: Suche nach Ausgleich

Marion Brasch liest aus „Ab jetzt ist Ruhe“

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Anfänglich wirken ihre Worte überraschend harsch. Vielleicht sollen sie Distanz schaffen. Distanz zu einer Familie in der Reibung und Streit dazugehören, weil ihre Brüder so vehement gegen den autoritären Vater rebellieren. Für das Mädchen ist das bedrohlich. Schon als Vierjährige will sie weg, erinnert sie sich. Vor der Familie türmen. So wie ihre Eltern aus Wien nach England getürmt sind. „Ab jetzt ist Ruhe. Roman meiner fabelhaften Familie“ (Fischerverlag, 19,99 Euro) heißt die Autobiographie von Marion Brasch, die sie am heutigen Dienstag und am Freitag, dem 20. April, im Brandenburgischen Literaturbüro vorstellt.

Sie liebt ihre Familie abgöttisch, doch steht sie immer um Ausgleich bemüht, in ihrem Schatten, stets dazwischen. Zwischen dem Vater, der sich mit aller Härte den Glaubenssätzen des DDR-Regimes verschrieben hat und verschiedene Ämter der Kulturpolitik bekleidete, und der Mutter, die den Vater zwar liebt, aber nicht das Land. Zwischen dem Vater und den gegen ihn aufbegehrenden Brüdern. Zwischen den Brüdern, die untereinander im Wettstreit liegen. Und zwischen dem Vater, der so hohe Ansprüche an seine Tochter hat, und ihren eigenen Wünschen an das Leben.

Immer sind es ihre Brüder, die kreativer und lauter sind als sie. Marion Brasch himmelt sie an, und beneidet sie still. Die Mutter stirbt viel zu früh, der Vater hadert mit der Partei, das Mädchen erträgt viel, still, auch ihre Pubertät. Das Interesse der Brüder an der „kleinen Schwester“ ist gering, dafür sind die Drei – der bekannte Dramatiker Thomas Brasch, der Schriftsteller Peter Brasch und der Schauspieler Klaus Brasch – zu exzentrisch. Immer ist der Sog, den die Brüder verursachen bedeutungsvoller als ihr stilles Leben. Kaum einer merkt, dass das junge Mädchen erwachsen wird. Der Vater erkennt es zwar, doch will er sie nicht freigeben. Es dauert unerträglich lang, bis Marion Brasch ihrem Vater offen widerspricht.

Die Autobiographie der heute 51-jährigen Autorin und Radiomoderatorin ist vor allem eine Familiengeschichte. Die zeigt, wie einflussreich Familienbande sind und wie schwer es ist, sich aus familiären Strukturen zu lösen. Genauso wie Marion Brasch immer versucht hat, es ihrer Familie leicht zu machen, macht sie es auch dem Leser leicht: Das Buch ist gefällig formuliert und lässt sich flott weglesen.

„Ab jetzt ist Ruhe“ ist kein politisches Buch. Die Autorin kommt ohne eine nähere Beschreibung oder Analyse politischer Ereignisse aus. Und doch ergibt sich aus dem Schicksal der Familie und dem Erleben der Autorin ein Bild davon, was das autoritäre System der DDR bedeutet hat und welche Folgen es hatte, stellte man es in Frage oder ging es gar an.

Die „kleine Schwester“ soll die einzige sein, die ihre Familie überlebt. Das Drama beginnt mit dem überraschenden und sehr frühen Tod des mittleren Bruders. Ihr Vater stirbt kurz bevor die Mauer fällt, die zwei anderen Brüder folgen wenige Zeit später. Ihre innere Zerrissenheit, kompensiert durch Alkohol und Drogen, wird ihnen zum Verhängnis. Erstaunlich stoisch trägt Marion Brasch alle zu Grabe und schafft es, selbst zu leben. „Ich habe euch lieb“, sagt sie bei einem Besuch der Gräber und beendet das Buch mit seinem Titel: „Und ab jetzt ist Ruhe“ – ein bedeutungsschwangerer Satz, in dem so vieles schwingt. Eine Autobiographie über die Fähigkeit das richtige Maß von Nähe und Abstand zu finden. Von einer sanften, aber starken Frau. Antje Stiebitz

Marion Brasch liest am heutigen Dienstag und am Freitag, dem 20 April, um 20 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Beide Veranstaltungen sind ausverkauft

Antje Stiebitz

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