zum Hauptinhalt

Kultur: Suche, Seele, suche

Drei Liedermacher erinnern an die Mauer

Stand:

Sie singen von verwundeten Seelen und verzweifelten Glückssuchern, von unnachgiebigen Dickschädeln und dünnhäutigen Träumern. Sie singen von Menschen im Strom der Zeit. Sie selbst ließen sich nicht mitreißen, wenn die Schnellen allzu gleichförmig über Unrecht hinwegschießen wollten und Wellen über sie zusammenschlugen. Sie trugen das Geröll und die Steine der Mauern in lauten Gedanken ab und zogen andere mit. „Glaub an dich selber, sei selber wer. Leg dich auf die Rutschbahn des Lebens quer“, lässt es Salli Sallmann mit rauer-knarziger Stimme hymnengleich erklingen.

Er steht heute an der Seite der Liedermacher Bettina Wegner und Stephan Krawczyk auf der Bühne an der Glienicker Brücke und erinnert anlässlich 50 Jahre Mauerbau in seinem „Geradeaus-Rock“ an ein Rückgrat, das sich viel zu leicht verbiegen lässt. Er hielt das seine gerade – und wurde dafür weggesperrt. So verwundert es nicht, dass ihn kaum jemand als DDR-Liedermacher kennt. „Ich war 23 und hatte angefangen, im Osten die Schnauze aufzumachen, da saß ich schon im Knast und die schoben mich in den Westen ab“ , sagte er kürzlich in einem Interview. Offensichtlich sollte ein neuer Wolf Biermann verhindert werden, dessen man sich ein Jahr zuvor entledigt hatte.

Der heutige rbb-Literatur-Redakteur Salli Sallmann wird mit seiner fünfköpfigen Band den Abend des „Potsdamer MauerVerLaufs“ eröffnen: mit dem Mauerfall-Lied „Im Bauch des Omnibus“, in dem es heißt: „Der deutsche Stacheldraht so scheint’s/ Ist vorerst mal besiegt.“ Der Rockpoet singt mit Druck und wildem Blut, ist aber auch butterweich, wenn er in seinem „Träumeboot“ die Liebe wiegt. Und er ist witzig, singt zu Biermann-Klängen seine Persiflage „Uff nu!“: eine herrlich gerappte Ost-West-Verballhornung mit dem Ego-Besen schwingenden Wessi-Schnösel und dem sächselnden Ossi-Proll, der jammert: „Die Freiheit ist so kalte“. Salli Sallmann, der „Bukowski von Kreuzberg“, schreibt sich nicht nur in bildreich-poetischen und zupackenden Texten Frust und Lust von der eigenen empfindsamen Seele, er bedient sich auch bei Erich Mühsam oder Bob Dylan und erinnert an Renft, die unvergessenen Rockbarden, die ebenfalls eingesperrt wurden und verschwanden.

Der Bürgerrechtler Bob Bahra, der das Konzert organisiert, bringt Liedermacher auf die Bühne, die alle den schweren Weg durch die Gefängnisse der Staatssicherheit in den Westen gingen, „und die daran erinnern, dass auch in der Diktatur ein kreativ widerständiges Leben versucht werden kann. Alle drei haben die Kultur des Landes DDR bereichert – um den Preis der Ausbürgerung“, so Bahra. Doch sie singen weiter, denn „Ob im Osten oder Westen: Wo man ist, ist’s nie am besten. Suche Seele, suche.“ Auch dazu lädt Salli Sallmann heute Abend ein. Heidi Jäger

Konzert heute ab 18 Uhr an der Glienicker Brücke, Eintritt frei. Die Gedenkkundgebung beginnt 16 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })