Kultur: Terroropfer
Truman-Haus: Ausstellung „Erschossen in Moskau“
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Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat die Ausstellung „Erschossen in Moskau ...“ nach Potsdam geholt. Sie berichtet über das Schicksal von fast 1000 Deutschen, die zwischen 1950 und 1953 von Sowjetischen Militärtribunalen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Einführende Worte bei der Ausstellungseröffnung sprachen Anne Kaminsky, Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, und Frank Drauschke, dessen Historisches Forschungsinstitut Fact & Files Berlin gemeinsam mit der Menschenrechtsvereinigung Memorial International Moskau den Schicksalen der Ermordeten nachgegangen ist und sie in der Ausstellung und in einem Totenbuch dokumentiert hat.
Ins Trumanhaus waren auch Angehörige der Opfer gekommen, so der Potsdamer Geograph Egon Breetz. Sein Vater Erwin Breetz, vor dem Zweiten Weltkrieg Lehrer und bekannter Heimatkundler in der Prignitz, war im September 1951 verhaftet und verschleppt worden. Jahrzehntelang blieb die Familie über sein Schicksal im Ungewissen. Erst die nach 1990 wieder möglichen Nachforschungen ergaben, dass Erwin Breetz nach Paragraph 56, dem Spionageparagraphen des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation, zum Tode verurteilt und 1952 in Moskau erschossen wurde. Er ist inzwischen rehabilitiert worden.
Die Ausstellung macht deutlich, dass Potsdam mit mehr als 30 Ermordeten in der Welle stalinistischer Verfolgungen Anfang der 50er Jahre einen besonders hohen Blutzoll entrichtet hat. Dazu zählen das Bürgermeisterehepaar Erwin und Charlotte Köhler, das seine Opposition gegen die undemokratische Entwicklung in Ostdeutschland mit dem Tode bezahlen musste, die Widerstandsgruppe um den Kriminalbeamten Gerhard Probsthain, die Ermittlungsergebnisse über Straftaten von Besatzungssoldaten in Westberlin öffentlich machte, der 22-jährige Revisor des FDJ-Landesvorstandes Haribert Radtke, der in der Straßenbahn verhaftet wurde, und der Elektroschweißer Günter Mikat, den man an seinem Arbeitsplatz im Karl-Marx-Werk festnahm. Die Publizistin Anja Spiegel hat Kampf und Hinrichtung einer Gruppe widerständiger Werderaner Jugendlicher dargestellt. Sie alle wurden zum Tode verurteilt und im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen. Ihre Asche wurde auf den Donskoj-Klosterfriedhof vergraben, wo im Vorjahr ein Gedenkstein auch für die deutschen Opfer des stalinistischen Terrrors enthüllt worden ist.
Über all diese Schicksale informiert die Ausstellung in Fotos, Texten und Dokumenten. Die Kenntnisse darüber sind in erster Linie der Menschenrechtsorganisation Memorial International Moskau zu verdanken, deren Tätigkeit in Russland jedoch zunehmend diskriminiert und behördlich eingeengt wird. Frank Drauschke machte deutlich, dass die Forschungen längst nicht beendet und weitere Hinweise willkommen sind. Zudem öffnen die 1950 bis 1953 auf dem Donskoj-Friedhof bestatteten deutschen Opfer nur ein kleines Zeitfenster. Schon 1945/46 war mindestens ein Dutzend Potsdamer Gymnasiasten hingerichtet worden, weil sie sich dem Russisch-Unterricht verweigerten oder am 1. Mai als Protest gegen die Zwangsvereinigung von SPD und KPD weiße statt roter Nelken anstecken. Erhart Hohenstein
Bis 4. Oktober, Trumanhaus, Karl-Marx-Straße 2, Mo-Fr 17 - 19 Uhr, Sa./So. 10 - 18 Uhr.
Totenbuch „Erschossen in Moskau“, Metropol Verlag, Berlin 2005, 400 Abbildungen, 22 Euro.
Erhart Hohenstein
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