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Kultur: The Grand Babelsberg Hotel

Warum die Potsdamer Filmstudios schon oft beim Oscar-Rennen dabei waren und wie sie diesmal davon profitieren

Stand:

Zehn Oscars und 40 Nominierungen seit 2002. Neun Nominierungen allein bei der 87. Verleihung in der vergangenen Nacht (die Sieger standen erst nach Redaktionsschluss fest) – und trotzdem eine schlechte Jahresbilanz 2014. Dies ist die Geschichte eines Widerspruchs, des Grundwiderspruchs der Babelsberger Filmstudios. Alle gratulieren ihnen zu den Nominierungen für „The Grand Budapest Hotel“ (neunfach trat sonst nur „Birdman“ an), von denen etliche auf technische Kategorien gemünzt sind, also auf Babelsberg-Leistungen. Sorge um ihre Zukunft haben die Studios trotzdem.

Die Ausstatter Adam Stockhausen und Anna Pinnock, ebenso ihre Kollegen von Masken- und Kostümbild saßen am Sonntagabend im Saal des Dolby Theatre in Los Angeles. Babelsberg hat ihnen die Daumen gedrückt, jenen heads of department, die seit der Arbeit an Wes Andersons Film von Babelsberg schwärmen. Schließlich wurde nicht nur in Görlitz gedreht (PNN v. 20.2.), sondern auch in etlichen Hallen, die mit den Modellen für Andersons schrill-vergnügte Zwischenkriegs-Tragikomödie gefüllt waren, mit all den Miniaturen von Hotel und Hotelberg, Standseilbahn und Skisprung-Schanze. Die Kamera kurvte manchmal auf einem Skateboard darin herum.

Handarbeit und Know-how vom Feinsten, nicht nur beim Szenenbild: Das Markenzeichen des weltältesten Großstudios mit seinen 20 Hallen, dem Indoor-Wassertank, der hydraulischen Flugzeug-Drehkulisse, einer Million Requisiten, einer halben Million Kostümen und 90 hochqualifizierten Mitarbeitern (die bei Bedarf auf über 2000 aufgestockt werden können) ist dank Andersons Film bekannter denn je. Gleichzeitig müssen die BabelsbergVorstände Carl Woebcken und Christoph Fisser für 2014 mit einem Minus von über zwei Millionen Euro rechnen. Weil zwei Großprojekte nicht zustande kamen – was wiederum damit zu tun hat, dass die Fördergelder in Deutschland nach oben gedeckelt bleiben, anders als etwa in England.

Dort kann eine 200-Millionen-PfundProduktion mit bis zu 40 Förder-Millionen rechnen. Der Deutsche Film- und Fernsehfonds zahlt maximal zehn Millionen Euro aus – damit viele Filme von der Förderung profitieren, auch Koproduktionen. In Babelsberg waren das in letzter Zeit unter anderem „Cloud Atlas“, „Die Bücherdiebin“ und Clooneys „Monument’s Men“. Richtig riesige Blockbuster lassen sich aber kaum hierher locken, sagt Geschäftsführer Woebcken am Telefon aus L.A. „gebetsmühlenartig“, wie er selber es nennt, kritisiert er die Kappungsgrenzen – und muss gleich weiter zum nächsten Meeting. Klinkenputzen bei den Hollywoodstudios gehört bei ihm zum Kerngeschäft. Woebcken tut es erhobenen Hauptes: Die Marke Babelsberg hat international einen exzellenten Ruf.

Was auch an der Geschichte liegt: „What a history!, schreiben uns viele ins Gästebuch“, erklärt Christoph Fisser. Und dass alle scharf auf die Marlene-DietrichHalle sind, wegen der Tradition und der Aura. Auch Fisser war nach L.A. gereist, Finanzen hin oder her, jetzt sollte gefeiert werden. Am Samstagmittag tummelten sich die Babelsberger beim traditionellen Oscar-Empfang der Deutschen in der Villa Aurora in den Pacific Palisades. Die Gala am Sonntag sahen sich alle, die nicht ins Dolby Theatre kamen, bei der Party des „Budapest“-Verleihers Twentieth Century Fox an, im Boa Steakhouse am Sunset Boulevard. Auch der Berliner Senatskanzleichef Björn Böhning war dabei, und Kirsten Niehuus, die Chefin des Medienboards Berlin Brandenburg. Wieso eigentlich? 450 000 Euro hat das Medienboard zu den fünf deutschen Fördermillionen (und zum Gesamtbudget von 23 Millionen Dollar) für Andersons Film beigetragen. Es geht um Standortwerbung, heißt es, um eine gewünschte Internationalisierung der Filmregion – Niehuus’ Reisekosten speisen sich aus einem Topf mit Sondereinnahmen.

Mit Produktionen wie „Die Fälscher“, „Das Leben der Anderen“, „Der Vorleser“ oder „Inglourious Basterds“ von Babelsberg-Fan Quentin Tarantino kommen Filme mit Medienboard-Beteiligung in den letzten zehn Jahren auf beachtliche 44 Oscar-Nominierungen und sieben Trophäen. Zum Vergleich: Die NRW-Filmstiftung kann im gleichen Zeitraum zehn Nominierungen und zwei Preise vorweisen. Mit anderen Worten, ohne Babelsberg wären die hiesigen Oscar-Erfolge nicht denkbar. Weil die kostspieligen „Hobbit“- und „Bond“-Filme oder die drei neuen StarWars-Episoden in den Londoner Pinewood-Studios entstehen, weil die Kursentwicklung des Euro günstig und die Konkurrenz in Osteuropa zwar billiger, aber oft weniger solide arbeitet, ist Babelsberg die ideale europäische Oscar-Schmiede geworden. Denn die begehrtesten Filmpreise der Welt gehen längst weniger an Action- und Spektakelfilme als an anspruchsvolles Publikumskino, wie zuletzt an „The Artist“, „Argo“ und „12 Years A Slave“. Für dieses Segment hat Babelsberg das denkbar Beste zu bieten.

Nicht dass sie keine Blockbuster könnten, betont Fisser, aber denen steht besagte Förderstruktur im Wege. Ohne Subventionen geht in deutschen Filmlanden so gut wie nichts. Hilft es Babelsberg nun also, wenn Stockhausen und Co. am Ende auch Oscars gewinnen? Nützen bereits die fünf Baftas (die wichtigsten britischen Filmpreise) und ein Golden Globe für „Budapest Hotel“, um neben dem einzigen bislang sicheren Auftrag für 2015 – „Eddie the Eagle“ mit Hugh Jackman als legendären ersten Olympia-Skispringer Großbritanniens – weitere Kunden in die Region zu locken?

Preise sind prima. Aber die beste Babelsberg-Werbung ist immer noch die eigene Arbeit, sagt Christoph Fisser. Spätestens seit Roman Polanskis dreifachen Oscar-Gewinners „The Pianist“ 2003 hat es deshalb allen Finanzproblemen zum Trotz immer wieder auch gute Wirtschaftsjahre gegeben. Weil die Fälscherwerkstatt in Stefan Ruzowitzksys NS-Drama „Die Fälscher“ ebenso Furore machte wie Uli Hanischs nachgebautes New Yorker Guggenheim-Museum mit der berühmten Spirale, für den Showdown von Tom Tykwers „The International“. Oder wie jetzt die Modellbauten des „Grand Budapest Hotel“.

Production-Designer Adam Stockhausen war bereits letztes Jahr für „12 Years A Slave“ nominiert. Nach dem „Budapest“- Film hat er in Amerika offenbar kräftig für Babelsberg geworben. Die Folge: Dreamworks kam, zum allerersten Mal. Mit Spielbergs „St. James Place“, einem Thriller über den Kalten Krieg mit Tom Hanks, Amy Ryan – und erneut mit Stockhausen. So ein Ausstatter, heißt es in Babelsberg, kann wichtiger sein als ein Brad Pitt. Vielleicht kommt Dreamworks ja wieder.

Wieso eigentlich hat Spielberg seinen Olympia-Attentatsfilm „München“ nicht in Deutschland gedreht?, fragt sich Woebcken. Der Studioboss hat einen Wunsch: Dass Deutschland als Drehort für hiesige Historienstoffe zur Selbstverständlichkeit wird.

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