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Kultur: Tief unter die Haut

Filmfestival „Sehsüchte“ wird 135 Filme zeigen

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Die Programmgruppe spricht von Magie. Eine Magie, die einen Film mit dem anderen, ein Genre mit dem andern verbinde. Bei 135 Filmen aus 37 Ländern, die an den sechs Festivaltagen des Studentenfilmfestivals „Sehsüchte“ (24.-29. April) laufen, muss allerdings schon gehörig viel Magie im Spiel sein. Gestern gaben die studentischen Organisatoren des Potsdamer Festivals, dem alle Jahre wieder der Ruf vorauseilt, das renommierteste seiner Art zu sein, einen ersten Einblick in den Filmjahrgang 2007.

Wobei auch klar wurde, von welcher Magie die Sprache war. So hat der argentinische Kurzfilm „Cantautor“ („Sänger-Autor“) ebenso die gesellschaftliche Gewalt zum Thema wie der polnische Streifen „Miasto Ucieczki“ („Stadt der Zuflucht“). Während „Cantautor“ (Regie: Emiliano Romero) die derb-dämliche Gewalt zweier Männer gegenüber einer Frau mit deren erfolgreichen Gegenschlag auflöst, geht „Miasto Ucieczki“ viel tiefer, tief hinein in die fremde und beängstigende Welt prügelnder Hooligans. Und dabei tief unter die Haut.

Dem Regisseur Wojciech Kasperski von der renommierten Filmhochschule Lodz ist es gelungen, mit Rückblenden in die Kindheit der kahlgeschorenen Schlägertypen eine große emotionale Nähe zu ihnen entstehen zu lassen. Die Schläge des Sportlehrers, der Kampfgeist des Großvaters, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, all das stürzt auf den kleinen Tomek ein. Und macht aus ihm den jungen Mann, der meint, in den Krieg ziehen zu müssen, wenn seine Mannschaft in die zweite Liga absteigt. Dass am Ende aber nicht er derjenige ist, der den Abstieg seiner „Götter“ mit der Waffe rächt, sondern dass nach einer Nacht der Gewalt sein Freund tot auf der Straße liegt, ist die bittere Moral dieser Geschichte.

Man hat die zwei noch vor Augen, wie sie als kleine Steppkes die Schule auf den Kopf stellen, sich dem Gehorsam verweigern, ihre eigene Welt aufbauen, die am Ende dann doch auf so tönernen Füßen steht, dass sie schnell zusammenbricht. So aktuell der Film angesichts der Vorfälle der jüngsten Zeit wirkt, so authentisch ist er. Am Ende erfährt man, dass es tatsächlich diesen Jungen gab, der bei Fußballkrawallen im polnischen Lodz getötet wurde.

Die polnischen Filme sind es dann auch, die es in diesem Jahr der Programmgruppe besonders angetan haben: bestechend durch ihre Qualität und heiklen Themen, aber auch durch ihre poetische Darstellung, lautet das Urteil der Studenten. Da werden es die deutschen Filme nicht leicht haben, die vor allem Alltagskrisen aller Art bespiegeln, ein eher typisches Themenfeld für Studentenfilme.

Wie in jedem Jahr erwartet das Festival Ende April wieder an die 10 000 Zuschauer im Thalia-Kino. Erwartet werden aber auch prominente Jurymitglieder, wie etwa der Regisseur Hannes Stöhr („Berlin is in Germany“) und die Schauspielerin Anna Brüggemann („Anatomie“, „Baal“). Jan Kixmüller

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