Kultur: Transparenter „Gedenkstein“ für Britten Vocalise-Sinfoniekonzert in der Erlöserkirche
Während seiner musikalischen Europareise, die das Neue Kammerorchester Potsdam für seine Konzertbesucher in der Erlöserkirche unternimmt, ging es am Donnerstag innerhalb der „Vocalise“ nach England. Aber auf den Facettenreichtum englischer Musik im 17.
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Während seiner musikalischen Europareise, die das Neue Kammerorchester Potsdam für seine Konzertbesucher in der Erlöserkirche unternimmt, ging es am Donnerstag innerhalb der „Vocalise“ nach England. Aber auf den Facettenreichtum englischer Musik im 17. und 18. Jahrhundert oder der Spätromantik wurde kein Auge geworfen, sondern nur auf einen Komponisten des vergangenen Jahrhunderts, auf Benjamin Britten. Solche Fokussierung ist dem Konzertbesuch nicht ganz förderlich gewesen, zumal Britten in unseren Breiten noch immer nicht den Ruf hat, der ihm gebührt. Dabei ist seine Tonsprache gemäßigt modern, aber durchaus originell. Sein glänzendes tonsetzerisches Können verbindet sich mit einem geschärftem Sinn für klangliche Feinheiten. „Für mich ist Musik etwas Klärendes; ich versuche zu klären, zu verfeinern, zu sensibilisieren (...) Meine Technik besteht darin, alles Überflüssige fortzunehmen“, schrieb Benjamin Britten.
Arvo Pärt nahm Britten als Vorbild für seine Musik, in dem er ebenfalls aus ihr allen Ballast verbannte. Als der Brite 1976 starb, schrieb der Este einen Cantus in Memoriam Benjamin Britten. Mit diesem „Gedenkstein“ eröffneten die Streicher des Neuen Kammerorchesters unter der Leitung von Ud Joffe das Konzert mit kontrolliertem Feingefühl. Das blieb dem ganzen Abend über erhalten, auch als Hintergründiges oder Tänzerisch-Beschwingtes hinzukamen. Bei der berühmten Serenade wählte Britten neben der Tenorstimme ein Hornsolo, nicht als farbenfrohen Zusatz, sondern dem Gesang gleichgestellt. Der Berliner Hornist Christian Müller wusste seinen Part eine große Geschmeidigkeit zu verleihen, nicht anders der mit edlem tenoralen Schmelz singende Corby Welch aus Düsseldorf. Die Serenaden-Texte englischsprachiger Dichter sind ein Hohelied auf die Nacht. Und diese Atmosphäre wusste auch Britten wunderbar herauf zu beschwören. Joffe und das Neue Kammerorchester haben gemeinsam mit Welch und Müller eine anziehende Klangwirkung und intensive Ausstrahlung erreicht. Auch die Volksliedbearbeitungen mit dem berühmten Greensleves, die Ud Joffe nach Brittens Klavier- und Gesangsstimmen-Arrangement für Tenor und Streichorchester im Geiste des Komponisten bearbeitete, wird weitgehend der elegische Ton, den die Serenade bereits vorlegte, beibehalten. Nur das letzte Lied, Das Krokodil, mit seinem köstlichen Humor gab dem Zyklus endlich eine andere Farbe. Corby Welch wusste nicht nur die Melancholie trefflich zu gestalten, sondern auch den hintergründigen Witz.
Abschließend musizierte das Kammerorchester die Simple Symphony op.4 – ein Juwel für Streicher, indem Britten die Kreativität seiner Kindheit aufarbeitete. Kontrastreich und mit Transparenz wurden die stilisierten Tänze musiziert. Eine gelungene Reise zu Britten, für die es herzlichen Beifall gab. Klaus Büstrin
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