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Kultur: „Träume Bilder, Bilder Träume“

Die wechselvolle Geschichte der Ufa von 1917 bis heute ist in einem reich illustrierten Buch des nicolai-Verlages erschienen

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Lilian Harvey und Willy Fritsch galten als das Traumpaar der Ufa. Hans Albers heftete das Markenzeichen des Draufgängers an der Brust. Und Kristina Söderbaum, die am Ende melodramatischer Liebesfilme oft ins Wasser oder Moor ging, nannte man gar insgeheim die „Reichswasserleiche“. Man kannte eben seine „Pappenheimer“. Diese Exklusivität, die früher einmal die Ufa für ihre Leinwandstars beanspruchte, ist längst dahin. Heute werden die Schauspieler für die jeweilige Rolle qualitäts- und quotenorientiert engagiert. Namen ziehen Zuschauer. Heino Ferch, Veronika Ferres, Sebastian Koch, Maria Furtwängler oder Nadja Uhl sind keine Firmen- sondern Fernsehstars. Zu diesem Fazit kommt Filmhistoriker und Publizist Hans Helmut Prinzler, der in einem kurzweiligen, schlaglichtartigen Vorwort in dem Buch „Bilder Träume, Träume Bilder“ die Ufa in ihrer 90-jährigen Geschichte umreißt.

Die seit 15 Jahren am Standort Babelsberg produzierte Ufa-Serie „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ könnte dabei signifikant über die Firmen-Vita stehen. Wobei die Perspektive mit entscheidet, was eigentlich gut und was schlecht ist. Einer der ersten Ufa-Filme wie „Metropolis“ war künstlerisch zwar wegweisend, aber ökonomisch ein Flop. Heutige Ufa-Daily-Soaps wie „Verbotene Liebe“ bringen das Geschäft zwar zum Blühen und ziehen Millionen vor die Flimmerkiste, lassen aber den künstlerischen Anspruch oft in den Keller sinken. Klar, zu allen Zeiten standen Dramen neben Revues: gab es die „Faust“-Verfilmung Murnaus neben der Kanonenboot-Operette „Bomben auf Monte Carlo“. So wie sich heute Andreas Dresens „Die Polizistin“ neben „Deutschland sucht den Superstar“ behaupten muss. Das macht indes den Reiz dieses Buches mit aus: Es zeigt Vielfalt und Verbandelung, Sternstunden und all“ die Ecken und Kanten, die zum Filmgeschäft gehören. Dabei hätte man sich allerdings oft deutlichere Worte gewünscht, gerade was die Jetzt-Zeit betrifft. Die Texte zwischen der beeindruckenden Bilderfülle klingen mitunter nach PR-Arbeit. Was wohl nicht verwundern darf, da die Ufa als Herausgeber fungiert. Alles scheint heute unter dem großen GmbH-Dach im Erfolgsformat hergestellt: „Vom anspruchsvollen Fernsehfilm über Krimiserien bis zur Musikshow entwickeln und produzieren sechs Töchter für alle großen Sender der deutschen TV-Landschaft maßgeschneiderte Programme“, ist zu lesen.

In Prinzlers vorangestellter Betrachtung und auch in vielen Bildunterschriften gehen Film und gesellschaftliche Reflexion oft Hand in Hand. Erinnert wird an an die Entstehung der Ufa, als die Allmachtsphantasien blühten. Einige Männer, die über viel Geld verfügten, gründeten am 18. Dezember einen Filmkonzern, weil sie an die Kraft der bewegten Bilder für Front und Vaterland glaubten. Der Krieg wurde zwar nicht gewonnen, aber die Ufa war ökonomisch im Vergleich zu kleineren Firmen gut aufgestellt. Und sie banden Regiegrößen wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang und F.W. Murnau an sich. Lubitsch-Filme brachten Exportgewinne und wendeten in den USA wenigstens im Kino die Stimmung gegen Deutschland. Bis der Regisseur 1922 selbst nach Amerika ging. Nun wurde Fritz Lang neuer Regie-Star. Er setzte die Nibelungen in Szene, schuf mit „Dr. Mabuse“ die Ikone des Bösen. 1933 ging auch er nach Amerika, allerdings auf Flucht vor den Nazis. Den großen Körperschauspieler Emil Jannings zog es ebenfalls über den großen Teich. Er kehrte aber – wegen Sprachbarrieren erfolglos geblieben – wieder in den Schoß der Ufa zurück. Dort spielte er sich mit Kompromissen, so wie Heinrich George und Werner Krauß, durch die Nazidiktatur. Andere wurden davon gejagt. 2000 Filmemachern jüdischer Herkunft sprach Goebbels die fachliche und moralische Kompetenz für ihre Arbeit ab. Viele flohen ins Exil, 500 gingen nach Hollywood. „Die bittere Pointe war, dass sie mit Vorliebe in negativen Chargenrollen besetzt wurden und später vor allem Nazis spielen mussten“, so Prinzler.

Der braun-befleckte Name der Ufa sollte 1945 auf Geheiß der Alliierten ausgemerzt werden, die deutsche Politik wollte ihn indes erhalten. 1957 gab es eine Wiederbelebung. Mit wenig Erfolg. Nur drei der damals produzierten Filme hatten über die Zeit Bestand, darunter „Das Totenschiff“ mit Horst Buchholz. 1964 übernahm Bertelsmann die Filmfirma und setzte mit frischem Wind der 70er neben TV-Movies auf Show und Unterhaltung. Für die neue Ufa ist es schwierig, zu einem eigenen Mythos zu finden, auch wenn Filme wie „Der Sandmann“ oder „Stauffenberg“ Pilcher-Schnulzen oder „Unter uns“-Zumutungen noch standhaft Paroli bieten. Doch die Erinnerungen an einem Film verblassen sehr schnell. „In zehn Jahren wird die Ufa 100. Wie sehen dann die Bilder aus? Wie klingen dann die Töne?“ Mit diesen Fragen entlässt der Vorwort-Schreiber die Leser in das Buch. Darüber nachzudenken, ist wenig ersprießlich. Aber sicher gibt es auch dann gute Zeiten, schlechte Zeiten.

Erschienen im nicolai-Verlag, 29.90 €

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