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Landschaft in Acryl. Hanne Pluns „Neuland“.

© Klaer

Kultur: Treppensteigen – schauen

Künstler-Trio stellt im Großen Militärwaisenhaus „Weite und Wege“ vor

Stand:

So wie die gemeinsame Landesplanungsabteilung im Großen Potsdamer Waisenhaus zum Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL)gehört, so gehört die Kunst hier offenbar zum Amt. Seit Jahren schon werden im Treppenhaus des ehemaligen, nicht ganz uneigennützigen Waisen-Asyls Konzerte und Ausstellungen organisiert und öffentlich gemacht, im vergangenen Jahr zum Beispiel eine mit sehenswerten Karikaturen von Harald Kretzschmar.

Auch am Mittwoch war die Kunst im Waisenhaus keine Waise, als unter dem Titel „Weite und Wege“ zur Vernissage einer wahrlich raumgreifenden Ausstellung in die Lindenstraße lud. Hundertfünfzig Bilder von drei malbeseelten Zeitgenossen können nun auf mehreren Etagen bis knapp unter die Kuppelreiter betrachtet und gewichtet werden, Landschaften, Porträts, ein wenig Grafik, brandenburgische Alleen, stilles Leben, abstrakte Kompositionen, Veduten aus Berlin-Ost vor 1989. Ein Opus Magnus für jeden, der Bilder mag: Treppensteigen – schauen, Treppensteigen – schauen, bis man oben ist.

Da man sich vor Ort ja sowieso in staatlichen Gefilden bewegt, verwunderte es nicht, wenn Laudator Manfred Stolpe den bekennenden Hobby-Maler Roland Korn ein wenig hervorhob, schließlich war dieser Architekt für den sozialistischen Umbruch auf dem Berliner Alexanderplatz und anderswo zuständig. 1972 wurde er sogar als Chefberater zum Präsidenten Salvador Allende nach Chile gerufen. Ein interessanter Mann also.

Unter anderem präsentiert Roland Korn unter dem Titel „Verschwundene Bauten“ wahrhaft historische Aquarelle vom Alexanderplatz und Marx-Engels-Denkmal, von ehemaligen Gaststätten und Straßenecken. Der Laudator enthielt sich nicht der Bemerkung, ihm selbst sei der Fernsehturm immer das Beste gewesen: wegen des Lichtkreuzes auf der Kugel. Na ja. Ansonsten zeigt Korn Alleen, Blumen, Landschaften, im Obergeschoss sind sehr realitätsnahe Porträts von seiner Hand zu sehen.

Auch Hartmut Meyer hatte als ehemaliger Bauminister schon von Staats wegen mit brandenburgischen Weiten und Wegen zu tun. In Kriegszeiten geboren, begann der gebürtige Merseburger erst vor drei Jahren regelmäßig zu malen. Seine Landschaften in den Jahreszeiten, historische Gebäude, Kanäle und Brücken, Seen und Alleen drängen sämtlich auf wahrheitsgetreue Wiedergabe, allerdings stehen manche seiner Bildformate im reziproken Verhältnis zum Kunstwert. Doch wie vergalt das Künstler-Trio doch gleich Gastgebers Gunst? Mit einem großem Dank ans MIL und der kleinen Bitte um „ein bisschen Nachsicht“. Na, so viel Grund dafür ist nun auch wieder nicht.

Hanne Pluns aus Neuhardenberg, ein Kriegskind noch wie Hartmut Meyer, hat Malerei studiert. Ob sie deshalb mehr aus ihren Sujets herauszuholen versucht, als Abbild und „Realismus“? Sie hat eine Sympathie fürs Gedankliche, für die gemalte Abstraktion. Eines ihrer Bilder gab dieser Verkaufsausstellung den Titel. Obwohl Brecht nun bestimmt nicht der Hüter allen Denkens war, wie gleich dreimal dargestellt, so sind doch Bilder wie „Und die Mühlen, die mahlen“ oder „Die Flüchtigkeit des Augenblicks“ mehr als respektable Angebote für die Rezeption, natürlich auch für jene, die so hart für diesen Staat arbeiten müssen. Des einen Genuss sei da des anderen Denkkraft. Aber treppauf! Gerold Paul

Die Ausstellung „Wege und Weite“ ist bis zum 31. Oktober Mo bis Fr 7 - 18 Uhr zu sehen, im Großen Militärwaisenhaus, Lindenstraße 34 a

Gerold Paul

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