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Unerwartete Freundschaft. Der Film Superhero von Hanneke Schutte.

© Sehsüchte

Kultur: Über den Schatten springen „Sehsüchte“ starten mit sensibler Filmauswahl

Die Stille im dicht besetzten Kinosaal war unermesslich. Kein Atemzug war zu vernehmen, während auf der Leinwand der Abspann des Animationsfilms „Prayers for Peace“ lief.

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Die Stille im dicht besetzten Kinosaal war unermesslich. Kein Atemzug war zu vernehmen, während auf der Leinwand der Abspann des Animationsfilms „Prayers for Peace“ lief. So kann Kino berühren. Dustin Grella von der School of Visual Arts in New York hat mit Pastellfarben auf Kreidetafeln Bilder zu einer ganz persönlichen Geschichte gezeichnet. Die seines Bruders, der im Irak-Krieg gefallen ist. Einer von Tausenden, sagt Grella und lässt den Zuschauer zum Schluss die letzten Worte seines Bruders hören, die auf einer Speicherkarte bei ihm gefunden worden waren. Im Hintergrund das Geknatter der Maschinengewehre, er spricht von einer großen Aufgabe, an der er teilhaben wollte, aber auch davon wie verrückt das alles ist. Dann bricht die Aufnahme ab.

Der US-Soldat war erst ein paar Monate im Irak, noch nicht lange bei der Armee, ein junges Leben, das früh zu Ende ging. Mit „Prayers for Peace“ (23.4., 21 Uhr, Thalia 2) hat der Regisseur in knapp siebeneinhalb Minuten alles über die Unsicherheit des Lebens und die Sinnlosigkeit von Kriegen gesagt. Einen außergewöhnlich guten Filmblock hatten die Studierenden zur Eröffnung des Studentenfilmfestivals „Sehsüchte“ am Dienstagabend zusammengestellt. Keine billigen Knalleffekte, keine abwegigen Experimentalfilme, kein schlechter Humor. Nein, es wurden den Eröffnungs-Gästen Filme gezeigt, die sich mit den Schwierigkeiten und Abgründen des Lebens, aber auch mit der Freude beschäftigen. Die Freude, die beispielsweise entsteht, wenn man es einmal schafft, über seinen Schatten zu springen. In dem Film „Superhero“ von Hanneke Schutte (22.4.,19 Uhr, Thalia 2) findet ein kleiner Junge in der südafrikanischen Wüste einen gestrauchelten Supermann. Er freundet sich mit ihm an. Doch es stellt sich heraus, dass der verkleidete Mann, der sein Gedächtnis verloren hat, zuvor den Bruder des Jungen misshandelt hatte. Am Ende steht eine großherzige Geste des Bruders – und die Freude des Jungen darüber.

Ähnlich ist es in dem etwas klamaukigen deutschen Kurzfilm „Uwe + Uwe“, von Lena Liberta. Auch hier gibt sich der unwirsche Lasterfahrer Uwe einen Ruck und findet zu einer unerwarteten Verbindung zu den blinden Passagieren aus Afrika, die sich in seinem Lkw versteckt hatten (24.4., 13 Uhr, Thalia 1). Sehr gelungen schließlich der Film „Tröst“ der schwedischen Filmemacherin Linnéa Roxeheim (23.4., 16 Uhr, Thalia 1). Sara arbeitet noch nicht lange in der Notrufzentrale. Als ein junger Mann in der Leitung seinen Selbstmord ankündigt, entsteht für kurze Zeit eine ungewöhnlich enge Beziehung zwischen den beiden. Bis die Verbindung abbricht.

Schon der Trailer der diesjährigen „Sehsüchte“ war ohne Effekthascherei ausgekommen, der Filmnachwuchs nähert sich in diesem Jahr etwas sensibler seinem Sujet als in den Vorjahren. HFF-Präsident Dieter Wiedemann, der sich zur Eröffnung eben mal schnell zum Vater des Festivals kürte, zeigte sich dann auch sehr zufrieden mit dem Festivalstart. Und nicht nur damit. Er nahm auch Wissenschaftsministerin und Sehsüchte-Schirmherrin Martina Münch (SPD) beim Wort, die angekündigte hatte die Umwandlung der Filmhochschule HFF in eine Filmuniversität möglichst noch bis zum kommenden Jahr in die Wege zu leiten. Und die eine Bestandsgarantie für das von Studierenden organisierte Festival für die nächsten drei Jahre abgegeben hatte.

Was Wiedemann selbstverständlich fand, schließlich handele es sich nicht nur um Europas größtes Studentenfilmfest, sondern auch um eine der wichtigsten Potsdamer Kulturveranstaltungen. Wichtig auch, weil das Festival so international ist. In diesem Jahr wurden Filme aus 66 Ländern eingereicht. Und auch wenn wegen der Aschewolke bis gestern noch nicht alle internationalen Gäste eingetroffen waren, war die Eröffnung schon reichlich bunt. Jan Kixmüller

Noch bis 25. April im Thalia-Kino, das Programm im Internet unter www.sehsuechte.de

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