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Kultur: Über Drachmentöter Schäuble, Phippsi Rösler und Gib-Gas-Gerhard

Der Kabarettist Reiner Kröhnert gab ein äußerst unterhaltsames Gastspiel im Obelisk-Theater

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Er spielt gleich seine Paraderolle. Im schwarzen Anzug, die Hände vor dem Bauch gefaltet, mit herabhängenden Mundwinkeln und einer Angela-Merkel-Perücke auf dem Kopf hat der Kabarettist Reiner Kröhnert am Donnerstag im fast ausverkauften Obelisk-Theater das Publikum sofort für sich gewonnen. Noch mehrmals an diesem Abend taucht die „Geisha aus der Uckermark“ auf der Bühne auf, etwa um von ihrem Ziehvater, dem „Saumagengrab“, zu berichten, bei dem „ihre Libido wie ein Buschwindröschchen in der Wüste vertrocknet“ ist, oder aber, um zur Bildung eines „depressiven Mimikkollektivs“ aufzurufen, denn: „Wenn Sie wissen wollen, wie es Ihnen geht, dann schauen Sie mich an.“

Doch ist Reiner Kröhnert nicht nur ein glänzender Kanzlerin-Imitator, sondern überhaupt einer der besten Stimmparodisten hierzulande. Bis auf ein, zwei Kopfbedeckungen braucht dieser Kabarettist keine Requisiten und anstatt mit fuchtelndem Zeigefinger seine Satire herauszuschreien, lässt er auch in seinem aktuellen Bühnenprogramm „Kröhnerts Krönung“ seine insgesamt 21 „Parodie-Opfer“ für sich selbst sprechen und zudem häufig miteinander in Interaktion treten. So imitiert Kröhnert im flinken Wechselspiel in täuschend genauen Tonlagen den Sprachduktus von Jürgen Trittin, Winfried Kretschmann und Daniel Cohn-Bendit und lässt die drei in einer kruden Debatte zu dem Schluss kommen, dass es besser sei, den Ausbau von Stuttgart 21 zu befürworten, damit man wenigstens wieder ein Thema habe, um dagegen sein zu können. Rita Süssmuth, Hans-Jochen Vogel und Hans-Dietrich Genscher lässt er als „prädementes“ Seniorentrio auftreten, das seine Parteien nicht wiedererkennt und „Phippsi“ Rösler veralbert, während sich Ronald Pofalla und Peter Hintze einen Zotenwettstreit in blumiger Prosasprache liefern, um herauszufinden, wer von beiden Angela Merkel wohl am weitesten in den Hintern gekrochen ist. Viel belacht wird auch der Auftritt von Wolfgang „Drachmentöter“ Schäuble, der über die Unendlichkeit von Schulden sinniert und zur Lösung der Euro-Krise vorschlägt, eine Hypothek auf die Akropolis aufzunehmen. Mit dem finsteren Charme eines Demagogen wirbt Friedrich Merz noch einmal für seine „Bierdeckelrepublik“, schmissig bläst Dirk Niebel zur Schnäppchenjagd in Kriegsgebieten, und auch „Gib-Gas-Gerhard“-Schröder erscheint kurz und reißt bierselige Witze über die SPD. Einer nach dem anderen wird so von Reiner Kröhnert parodistisch in Szene gesetzt und gibt sich selber die Blöße.

Doch auch Prominente aus Kultur und Medien kommen nicht ungeschoren davon. Immer wieder werden kurze Talkrunden eingestreut, in denen sich Michel Friedman und Rüdiger Safranski unter dem Motto „Der Intellekt hat viele Gesichter“ mit Daniela Katzenberger über Silikon im Kopf, mit Mario Basler über Bananenflanken oder mit Dieter Bohlen über dessen Latrinenlyrik unterhalten. Herrlich, mit welcher Präzision Kröhnert zwischen den einzelnen Charakteren in diesen doch so absurden Konversationen agiert.

Bevor sich aber die Begeisterung des Publikums nach knapp zwei Stunden in einem anhaltenden Schlussapplaus entlädt, tänzelt Kröhnert noch einmal als Angela Merkel auf die Bühne, um ihren „Mitbürgerinnen und Bürger“ die Panik vor dem israelkritischen Gedicht von Günter Grass zu nehmen. Von einem Gedicht, das sich hinten nicht reimt, sagt sie, gehe auch keine Gefahr aus, denn das könne sich eh keiner merken. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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