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Karla Woisnitza in ihrer Schau.

© Thomas

Kultur: Überlieferung des Hier und Jetzt Bilder und Performance im Pomonatempel

Der römischen Göttin des Obstsegens weihte der 19-jährige Karl Friedrich Schinkel sein erstes Bauwerk, den Pomonatempel. Das war im Jahr 1801.

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Der römischen Göttin des Obstsegens weihte der 19-jährige Karl Friedrich Schinkel sein erstes Bauwerk, den Pomonatempel. Das war im Jahr 1801. Dem Bauherrn und Besitzer des Pfingstbergs, Carl Ludwig von Oesfeld, der das schmucke Häuschen seiner Frau schenkte, damit sie ihren Tee darin einnehmen könne, war die Freude an der gemeinsamen Teezeremonie nur kurz vergönnt. Er starb 1804. Thomas Kumlehn, Kurator der aktuellen Ausstellungsreihe „Das überlieferte Hier und Jetzt“, spekulierte deshalb darüber, dass der Tempel nun auch Nenia geweiht sein könnte, der Göttin der Totenklage.

Kumlehn wollte so auch einen Bezug zum Titel der Serie der Werke von Karla Woisnitza finden, denn diese nennt sich „lazareto“. Wie unschwer in dem deutschen Wort Lazarett erkennbar, bezieht sich die Bezeichnung auf Krankheit, Isolation und auf die gleichnamige griechische Insel, die als Quarantänestation diente. Allerdings war dieser Bezug beim vorösterlichen Schönwetter, als die Vögel ihr munteres Gezwitscher auf die idyllische Szenerie legten, schwer zu glauben, aber gerade zur Osterzeit sind wir ja allenthalben „inmitten vom Leben vom Tod umgeben“. Erst nach einer Performance der finnischen Künstlerin Heini Nukari, die ihre experimentellen Töne angesichts der dem Publikum noch nicht sichtbaren Bilder aus ihrem Körper herausholte, konnten die Besucher selbst den kleinen rechteckigen Raum betreten und die lazareto-Serie auf sich wirken lassen.

Doch zunächst mischten sich in die Amsel- und Meisengesänge Töne, die aus mythischen Tiefen hervorzukommen schienen. Heini Nukari, die in Berlin lebende, 1971 geborene Tanz- und Tonkünstlerin, war hinter den Türen des Tempelchens verborgen, wie ein Echo tönte ihr Gesang aus dem anmutigen Bauwerk heraus. Später sah man dann, wie sie vor einigen Bildern auch Bewegungen machte, sie wand wie eine indische Göttin ihre Hände um den Kopf. Einige der Gemälde entlockten ihr meditative Töne, die in eine Melodie aus einer hohen Kopfstimme übergingen, um alsbald wie aus einem stotternden Auspuff ausgestoßen zu werden.

Sie habe komplett improvisiert, erzählte die Künstlerin später, sich den Raum und die Bilder nur einmal angesehen. Zum ersten Mal habe sie die Auseinandersetzung mit visueller Kunst gesucht. Ihre Auffassung, dass Kunst wie die Musik vom Augenblick leben, macht eine Wiederholung des Schauspiels unmöglich. Schade, denn während der Performance veränderte sich das idyllische Ensemble tatsächlich in einen Erlebnisraum, der den Höhen und Tiefen des Lebens ephemere Gestalt verlieh.

Nun konnte das Publikum den Raum erobern und einen Blick auf die sehr kleinen neun Arbeiten von Karla Woisnitza erhaschen. Wie kleine rechteckige, blaue, orangefarbige, rote, gepunktete Früchte hängen die Bilder an den Wänden des harmonischen Raums, der nächstes Jahr wieder in seiner historisch ursprünglichen Version hergestellt werden soll.

„Zaubernuß“ heißt die erste Arbeit der „lazareto“-Reihe, sie ist aus dem Jahr 2002 und fällt aus der Rahmen der übrigen monochromen Arbeiten. Reliefartig hat die Künstlerin, die 1952 in Rüdersdorf geboren wurde und in Dresden Kunst studierte, aus dem Holz tanzende Muster hervorgeholt, die schwarz über einem ockerfarbigen Grund schweben. Diese Lebendigkeit findet sich erst am Ende der Serie wieder, in den „Hellblau/Hellbau“ und „Himmel und Erde“ genannten Arbeiten, die in ihren runden Formen und zarten Farben flimmern.

Die dazwischen gehängten Arbeiten reduzieren sich auf Monochromie und kleine, in der Mitte gepunktete Quadrate, Küchentücher umrahmen die Malerei. Das zentral gehängte Bild „PS“ von 2004 verweigert gar die Malerei: Auf einer Holzplatte ist ein Küchentuch gelegt, auf dem das rot gestickte Monogramm „PS“ prangt. So verleiht die Serie wie eine auf- und absteigende Melodie dem Raum eine Art meditativen Charakter. Lore Bardens

Zu sehen bis 24. Mai, samstags und sonntags sowie an Feiertagen von 15 bis 18 Uhr, Eintritt frei.

Lore Bardens

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