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Kultur: Überraschung beim Rakubrand
Auch Rapunzel Bräutigam öffnet am Sonntag, wie 39 andere Ateliers auch, ihre Arbeitsstätte für alle Interessierten beim Tag der offenen Ateliers
Stand:
Buddhistische Mönche schlürfen genussvoll ihren grünen Tee aus Raku-Schalen und versinken dabei in Meditation. Raku bedeutet auf Japanisch „Die Freude an der Muße“. Und genau dieses tiefentspannte Eintauchen in die Zeit verbindet die Keramikerin Rapunzel Bräutigam mit der jahrhundertealten Technik. Auch sie lebt die Entschleunigung. Als Hüterinnen über den großen Schatz der Langsamkeit hat sie sich ihren Lebenskreis geschaffen: Neun archaische Frauenfiguren, die das Werden und Vergehen symbolisieren, vom Baby über das trotzige Mädchen bis zur Sterbenden.
Den Schöpfungsprozess dieser Plastiken können Besucher am kommenden Sonntag, am „Tag des Offenen Ateliers“, miterleben. Dann wird Rapunzel Bräutigam im Schatten der alten Weide vor ihrer Remise im Hinterhof der Gutenbergstraße den Rakubrand zelebrieren. Dazu bringt sie die mit einer Glasur bestrichenen, bereits vorgebrannten Tonfiguren und Gefäße in einer speziellen Brennkapsel auf 1000 Grad Celsius zum Glühen. Vorsichtig nimmt sie mit einer Feuerzange die gebrannten Skulpturen und Schalen aus der Hitze und taucht sie in brennbares Material: in Sägespäne. Dabei kommt es zu einem Schwelbrand und die Glasur springt sofort auf. Durch diesen Temperaturschock entstehen die typischen Risse: die Craquelé. Der freigesetzte Kohlenstoff zieht in diese Risse ein und färbt sie schwarz. Der Rest der verkokelten Späne schmirgelt Rapunzel Bräutigam mit einer Drahtbürste im Wasserbad ab. Es bleiben die feinen schwarzen Haarrisse, die sich nun wie ein Aderngespinst über die Oberfläche ziehen, die bei der gebürtigen Leipzigerin bevorzugt in roter und türkiser Farbe strahlen.
„Dieses Brennen ist immer ein Spektakel“, macht die 44-jährige Künstlerin neugierig und lädt die Besucher ein, selbst Teeschalen zu bemalen und zu brennen, aus denen sie dann wie die Mönche ihre Getränke genießen können. Während der rund einstündigen Brennzeit gibt es feurige Balkanmusik vom Trio Lunanovis.
„Das Brennen ist stark mit dem Zufall verbunden und das Ergebnis überraschend wie das Leben selbst.“ Die Keramikerin hat sich intensiv mit den Urformen der Kunst beschäftigt, mit dem spirituellen Tanz der Priesterinnen ebenso wie mit griechischen Mysteriendramen. Für sie lebt die Kunst vor allem aus dem Verbindenden. Am Tag des Offenen Ateliers versucht sie, ihre Freude an der Muße weiterzugeben. Heidi Jäger
Sonntag, 8. Mai, 12 bis 18 Uhr, Gutenbergstraße 96 (Remise) , ab 14 Uhr Rakubrand zum Mitmachen.
Weitere Informationen über die insgesamt 40 Offenen Ateliers und Galerien in Potsdam am 8. Mai im Internet unter www.potsdam.de
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