Das nicht arme chorische Leben Potsdams hat durch ein neues Ensemble Zuwachs erhalten, ja: ist bereichert worden. Acapense nennt sich der Chor, der A-cappella-Literatur seit gut zwei Jahren in kleiner Besetzung singt, mit 14 Sängerinnen und Sängern, die reichlich Chorerfahrungen besitzen. Beim Landeschortreffen Brandenburgs 2013 hat das Ensemble auf Anhieb einen Preis gewonnen und im Mai kann es nun zum 9. Deutschen Chorwettbewerb nach Weimar reisen.
Am Sonntagnachmittag gab Acapense sein erstes Konzert in Potsdam, in der Friedenskirche Sanssouci. Der überaus gute Besuch bewies, dass Musikliebhaber nicht nur die üppigen Reize von chorsinfonischen Werken schätzen, sondern auch das feine kammermusikalische Singen. Ihre Frische trifft das junge Potsdamer Ensemble mit zügigen bis moderaten Tempi, immer dem Werk angemessen, mit klarem und schlankem Klangbild und einer sensiblen, sorgfältigen Artikulation. Nirgendwo lauerten falsche Manieren. Der Kammerchor überzeugte mit Natürlichkeit und fand zu einer schönen Deutungstiefe, die es leicht machte, sich auf das abwechslungsreiche Programm einzulassen, das weitgehend ohne Dirigat gesungen wurde. Jede einzelne Stimme ordnete sich, von der anfänglich gesungenen Motette „Wie lieblich sind auf den Bergen“ des Barockkomponisten Samuel Seidel abgesehen, in den Gesamtklang ein, dennoch singt jeder mit der nötigen individuellen Präsenz. Die kompositorischen Feinheiten der Chorsätze und Motetten wurden plastisch herausgearbeitet. Da vernahm man wohltuende Wärme in den adventlich-weihnachtlichen Sätzen „Übers Gebirg Maria geht“ von Johann Eccard oder „Freut euch, ihr lieben Christen“ von Leonhard Schröter, Affektgeladenes in den Motetten „Herr, auf dich traue ich“ und „Jauchzet dem Herren“ von Heinrich Schütz oder Klangsinnliches bei Johann Pachelbels Motette „Nun danket alle Gott“.
Das Konzert erhielt seinen zusätzlichen Reiz, weil Acapense den gesamten Friedenskirchenraum einbezog. Die romantisch und hymnisch geprägte Chorliteratur der Engländer Malcolm Archer, Charles Villiers Stanford und David Willcocks wurde auf der Orgelempore dynamisch weitgespannt wiedergegeben. Tobias Scheetz registrierte die Woehl-Orgel für die Begleitung mit einer tiefen gestaffelten Fundierung, sodass man glaubte, der Chor würde in einer englischen Kathedrale singen. Die solistischen Orgelbeiträge, die Scheetz mit Werken von Frederic Andrew Keene und Robert Jones bot, genoss man als feine Zutaten zum reichen chorischen Programm.
Von dem ehemaligen Cottbuser Kirchenmusiker und Komponisten Lothar Graap sang Acapense die beiden Sätze „Wenn ich mit Menschen und mit Engelzungen redete“ sowie „Und ich sah und hörte eine Stimme“ aus dem 1970 entstandenen „Triptychon“. Auch hierbei steht dem Komponisten eine deklamatorische Identifikation von Musik und Sprache zu Gebote, ähnlich den Werken eines Heinrich Schütz. Der Chor hat neben den klanglichen Finessen, die die Kompositionen bereithalten, sie vor allem mit beeindruckender Ausdrucksbreite interpretiert. Die letzten beiden Werke erklangen in der Apsis: von Morten Johannes Lauridsen „O Magnum Mysterium“ sowie „ O Nata Lux“. Durch die exzellente Interpretation des Ensembles erhielt man einen wunderbaren Eindruck der tiefen Spiritualität dieser Musik. Das anspruchsvolle, intensiv gesungene Konzert wurde von den Zuhörern mit großer Dankbarkeit aufgenommen. Klaus Büstrin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: