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Bedeuten kleine Schritte ein vorsichtiges Agieren? Siegfried Dittler im Waschhaus.

©  Manfred Thomas

Interview mit Waschhaus-Chef: „Um so ein Haus zu verändern, braucht es Zeit“

Siegfried Dittler, seit über einem Jahr Geschäftsführer im Waschhaus, über kleine Schritte und das Potenzial der Schiffbauergasse

Stand:

Herr Dittler, über ein Jahr sind Sie nun als Geschäftsführer im Waschhaus tätig. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Wir hatten ein sehr bewegtes Jahr. Resümee heißt für mich vor allem auch, dass wir eine Vertragsverlängerung bekommen haben. Das war für mich ein ganz wichtiger Punkt, weil der Vertrag bis Ende 2013 befristet war. Jetzt läuft er zwei Jahre weiter. Das werte ich als Vertrauensvorschuss in unsere Arbeit, in die Arbeit von meinem Team und von mir.

Eine Arbeit, die sich vor allem im Programm widerspiegelt.

Ja, dokumentiert wird das sicher auch durch eine Vielzahl von Veranstaltungen. Das Open Air Kino fand ich ein wunderbares Festival in diesem Jahr. Es gibt wieder einen regelmäßigen Poetry Slam, der von Ehrenamtlichen auf die Beine gestellt wird. Und den Drum Klub, der von Lars Neugebauer, einem Potsdamer Künstler, mitinitiiert wurde. Ich denke, es hat inhaltlich einige interessante Veranstaltungen gegeben und es wird noch mehrere solcher Veranstaltungen geben, sodass mein Zwischenfazit durchaus positiv ist. Um so ein Haus zu verändern, braucht man auch eine gewisse Zeit.

Was hat Sie am Waschhaus am meisten überrascht?

Mich hat die hohe Komplexität des Hauses überrascht. Die schiere Größe und Fläche und das Zusammenspiel von verschiedenen Bereichen wie Tanz, Kunst und Musik auf der einen Seite und der Einbindung der ganzen Arbeit in den Kontext Schiffbauergasse auf der anderen, das alles hat doch eine hohe Komplexität. Gleichzeitig empfinde ich es aber auch als wunderbare Chance für das Waschhaus, in der Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen vor Ort diesen Raum, den wir hier haben, gemeinsam zu denken und zu bespielen.

Sie haben das Waschhaus in einem sehr schlechten Zustand übernommen. Von einem Programm, einem Profil konnte bei Ihrem Vorgänger keine Rede sein. Sie haben mit dem Poetry Slam, dem Drum Klub und Flava neue Reihen etabliert. Auch im Konzertbereich ist wieder eine Handschrift zu erkennen. Im Januar ist das Klavierfestival „The Art of Piano“ zu erleben. Das sind kleine, aber deutliche Schritte hin zu einem Profil. Sind diese kleinen Schritte bewusst auch aus Vorsicht gewählt, um zu schauen, wie das angenommen wird?

Bedeuten kleine Schritte ein vorsichtiges Agieren? Ich glaube, ein Haus braucht solche kleinen Schritte, um sich wirklich zu entwickeln. Es ist ja auch interessant für mich, was in Potsdam letztlich angenommen wird oder nicht. Da kann man noch so viel Berufserfahrung haben, jede Stadt ist anders, jede Stadt denkt anders, jede Stadt artikuliert sich kulturell anders. Kürzlich hatten wir beispielsweise „Jan Plewka singt Rio Reiser“ im Programm. Das war super, die Arena war ausverkauft. Da haben wir einen Nerv getroffen. „The Art of Piano“ ist dann wieder ein anderes, durch den Schwerpunkt auf den Jazz ein ganz spezielles Thema. Wenn man sich ansieht, wie groß der Anteil von Verkäufen an Jazz-Cds auf dem Musikmarkt ist, ist der doch sehr gering. Andererseits ist Jazz eine Ausdrucks- und Kulturform, die viele Menschen im Konzert erleben möchten. Mit diesem „The Art of Piano“ möchte ich einen Einstieg in ein Thema bieten, das nicht ausschließlich auf den Bereich Jazz fokussiert ist, sondern eine Tür öffnet für interessante Veranstaltungen, die nicht allein auf Musik beschränkt sein müssen. Ich hoffe, über diese kleinen Schritte manifestiert sich dann, wenn wir irgendwann auf diese drei Jahre zurückblicken, dass sich was verändert hat.

Sehen Sie gerade im Bereich Jazz in Potsdam ein großes Potenzial?

Die Frage ist doch: Was könnte das für Potsdam wirklich sein? So etwas will und kann das Waschhaus nicht allein. Da möchte ich mit allen Akteuren in der Stadt reden. Es gibt den Nikolaisaal, der seit Jahren großartige Angebote in diesem Bereich hat. Jetzt gibt es das „Jazz Lab“ in der „fabrik“. Es gibt den Dreiklang schon seit einigen Jahren. Da finde ich es einfach spannend, gemeinsam zu sprechen, zu denken und dann vielleicht auch einen großen Schritt zu tun. Vielleicht irgendwann gemeinsam so ein Festival auf die Beine zu stellen.

Wenn Sie von Zusammenarbeit sprechen, wie sehen Sie da den Standort Schiffbauergasse?

Wir sind ja ein hybrider Ort. Wir haben uns jetzt nicht nur auf ein Thema festgelegt. Musik, Literatur, Klubkultur, Kunst und Tanz – das sind nur fünf. Wir sind nicht festgelegt, nicht kategorisierbar. Das Waschhaus ist ein spannender Ort, da spielt kulturelle Bildung eine Rolle, genauso wie am Samstagabend eine Klubkulturnacht. Und ich glaube, über diese Vielfalt können wir uns auf dem Gelände einfach sehr gut einbringen, dass es immer wieder Ansatzpunkte mit Kolleginnen und Kollegen gibt. Nehmen wir jetzt nur den Kunstraum, Fluxus sitzt gegenüber, das Sans Titre liegt in der Innenstadt, aber in der Nähe. Das heißt, beim Thema Bildende Kunst können wir in den Außenbereich gehen. Wir können schauen, inwiefern wir Veranstaltungen gemeinsam planen. Ein ganz großer Traum wäre ein Bildhauer-Symposium, mit dem wir richtig in die Stadt reingehen. Das ist aber keine Idee für morgen, sondern eher für übermorgen. Das kostet einfach Geld und das müsste man auch mit anderen Akteuren ein Stück weit abstimmen. Aber unsere Kraft liegt in dieser Vielfalt. Da gibt es immer wieder Ansatzpunkte, wie auch schon beim Festival „Made in Potsdam“, das ja schon im letzten Jahr gemeinsam mit der „fabrik“ stattfand. Mit Fluxus haben wir geredet, was denkbar ist und ob wir beispielsweise Vernissagen zusammenlegen können.

Es heißt ja immer, im Sommer sei zu wenig los in der Schiffbauergasse. Gibt es da Ihrerseits Pläne, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit anderen Anbietern vor Ort?

In der Tat gibt es die Stimmen, die sagen: mehr im Sommer. Und schon in diesem Jahr hat sich gezeigt, dass es gar nicht so einfach war, sich aufeinander abzustimmen. Das Hans Otto Theater spielt draußen, wir spielen draußen, dann gab es die Literaturtage, die was geplant hatten, und dann gab es noch das Theater Anu aus Berlin, das mit seiner Lichterinstallation „Die große Reise“ hier ein paar Tage gespielt hat. Dann kam die „Stadt für eine Nacht“. Die Open-Air-Bühne ist für uns dann noch eine ganz besondere Herausforderung, weil sie für uns im Alltag schlichtweg nicht einsetzbar ist. Sie ist letztendlich als Sommerbühne gedacht und wir planen, da ein- oder zweimal im Sommer was zu bieten. Wir sind natürlich bereit, anderen entgegenzukommen, wenn es Ideen von Veranstaltern gibt. Die Freifläche möchten wir generell als Plattform nutzen und auf Vereine zugehen, diese zu bespielen. Über den normalen Konsum von Veranstaltungen hinaus zu fragen: Wie kann man hier interaktiv agieren und diese Fläche bespielen?

Kurator Erik Bruinenberg hat den Kunstraum verlassen. Wie geht es dort weiter?

Den Kunstraum gibt es seit 2006. In dieser Zeit wurden hier knapp 60 Ausstellungen gezeigt, was eine ganze Menge ist. Ich denke, er ist auch ein ganz wichtiger Raum für zeitgenössische Kunst in der Stadt. Ich möchte, dass der Kunstraum noch besser vernetzt ist mit den anderen Akteuren in der Stadt, beispielsweise mit den Akteuren der AG Gegenwartskultur. Da gab es in der Vergangenheit nicht die ganz enge Zusammenarbeit. Weiterhin möchte ich, dass dieser Ort auch wie eine Art Lounge funktioniert. Dass wir nicht lediglich sechs, sieben oder acht Ausstellungen zeigen, sondern dass wir mit den Ausstellungen etwas machen. Dass wir ein sozialer und kommunikativer Ort sind, an dem man sich begegnet und wo man sich nicht nur mit der Kunst auseinandersetzt. Das finde ich ganz wichtig.

Haben Sie deshalb dem Obergeschoss im Kunstraum diese Wohnraumatmosphäre gegeben?

Ja, wir haben das Obergeschoss entsprechend eingerichtet. Einen kleinen Raum nutzen wir hier schon für Videokunst. Denn ich kann mir vorstellen, dass das Thema Videokunst eine größere Rolle spielt. Ich möchte auch mit den Geldgebern von Stadt und Land noch einmal über die Inhalte dieses Kunstraums reden. Da ist die Idee eines Kuratoren-Stipendiums, ein internationales Kuratoren-Stipendium, dass jedes Jahr jemand diesen Raum für drei bis vier Monate bespielt, damit man noch mal neue Kunst von außen bekommt. Aber da müssen wir noch über die Finanzierung sprechen. Ein genaues Konzept, wie es weitergeht, wird im kommenden Jahr erarbeitet, weil das Jahr 2014 noch größtenteils von den Ausstellungen geprägt sein wird, die der bisherige künstlerische Leiter geplant hat.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Siegfried Dittler, geb. 1962 in Ebene Reichenau/Österreich, ist Geschäftsführer der Waschhaus Potsdam gGmbH.

Dittler, der Kulturmanagement und Verwaltungswirtschaft studiert hat, war unter anderem Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des Veranstaltungszentrums E-Werk in Freiburg und vor seinem Wechsel nach Potsdam Geschäftsführer der Alten Feuerwache gGmbH in Mannheim. Im Oktober 2012 übernahm er die Geschäftsführung im Waschhaus in der Schiffbauergasse. PNN

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